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Warenhäuser - Vom Konsumtempel zum Problemfall

Noch vor wenigen Jahrzehnten dominierten die Konsumtempel der großen Warenhausketten die deutschen Innenstädte. Dann blieben immer mehr Kunden weg. Stattdessen kamen schillernde Investoren.

Galeria Karstadt Kaufhof
Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei. Foto: Oliver Berg
Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei.
Foto: Oliver Berg

Wie viele Leben hat eine Warenhauskette? Die Frage drängt sich auf, wenn man das Schicksal des letzten großen deutschen Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof verfolgt. Zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren musste der Handelsriese am Montag den Weg zum Insolvenzgericht antreten und Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen. Daran konnten auch Staatshilfen von rund 680 Millionen Euro nichts ändern.

Es ist ein weiterer Tiefpunkt in dem seit rund vier Jahrzehnten andauernden Niedergang der Warenhäuser. Ihre Blütezeit erlebten die Filialen in den 70er Jahren, als sie dem Fachmagazin »Textilwirtschaft« zufolge einen Marktanteil von etwa 15 Prozent eroberten. Vier große Ketten warben damals um die Gunst der Kunden: Karstadt, Kaufhof, Horten und Hertie.

Doch dann sorgten neue Konkurrenten wie innerstädtische Einkaufszentren, Shopping-Center auf der grünen Wiese, spezialisierte Filial- und Fachmarktketten und später auch der Onlinehandel für ein Ende des Höhenfluges der »Alles-unter-einem-Dach-Anbieter«. Die Marktanteile schrumpften, und die ersten Anbieter verschwanden vom Markt. Im November 1993 schluckte Karstadt Hertie. Fast zeitgleich übernahm Kaufhof Horten. Die Marktbereinigung brachte nur vorübergehend Erleichterung.

Immer wieder tief in die Krise

Vor allem Karstadt geriet nach der Jahrtausendwende immer tiefer in die Krise. 2009 musste der Mutterkonzern Arcandor Insolvenz anmelden, und das Überleben der Tochter Karstadt hing an einem seidenen Faden.

Als Retter in letzter Minute erschien damals der Privatinvestor Nicolas Berggruen und kaufte die Warenhaus-Tochter aus der Insolvenz heraus. Es war ein ungewöhnlicher Investor: ein Milliardär ohne eigene Wohnung, der in Hotels und seinem Flugzeug lebte und es anscheinend verstand, Geldverdienen und gute Taten unter einen Hut zu bringen. Von Karstadt-Beschäftigten wurde er anfangs regelrecht bejubelt.

Doch bekam das Bild vom Wohltäter bald Risse. Denn dem Unternehmer gelang es nicht, den Konzern aus den roten Zahlen zu holen. Im Gegenteil: Eine verfehlte Marketing-Strategie vergraulte etliche Stammkunden. Vier Jahre später zog Berggruen die Notbremse und verkaufte die Kette weiter.

Auftritt René Benko: Der Tiroler Milliardär, einer der schillerndsten Unternehmer Österreichs, hatte es mit Immobiliengeschäften geschafft, trotz seines Schulabbruchs zu einem der reichsten Männer der Alpenrepublik zu werden. Plötzlich wurde er auch zu einem der wichtigsten Spieler im deutschen Einzelhandel.

Erster Anlauf gescheitert

Schnell wurde klar, das es Benkos Ziel war, durch die Fusion von Karstadt mit dem letzten verbliebenen Rivalen Kaufhof eine deutsche Warenhaus AG zu formen. Ein erster Anlauf scheiterte 2015. Doch Ende 2018 schlug mit dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof Benkos große Stunde. Seit Mitte 2019 hat er nach dem Ausstieg des Kaufhof-Eigentümers Hudson Bay beim letzten großen deutschen Handelskonzern alleine das Sagen.

Der Zeitpunkt hätte für Benko kaum schlechter sein können. Neun Monate nachdem er den Handelsriesen komplett unter seine Kontrolle brachte, durchkreuzte die Pandemie alle ehrgeizigen Pläne. Während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 musste das Unternehmen Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen.

Damit verbunden waren harte Einschnitte: Die Schließung von rund 40 Filialen, der Abbau von etwa 4000 Stellen und die Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro Schulden sollte dem Unternehmen einen Neustart ermöglichen. Die Hoffnung, dass der Konzern von vielen Altlasten befreit erfolgreich durchstarten könnte, erfüllte sich nicht. Obwohl das Unternehmen zwischenzeitlich Staatshilfen von 680 Millionen Euro erhielt, musste es in dieser Woche erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen. Nun sollen mindestens ein Drittel der verbliebenen 131 Warenhäuser geschlossen werden, um den Rest des Konzerns überlebensfähig zu machen, wie Galeria-Chef Miguel Müllenbach in einem »FAZ«-Interview ankündigte.

Taumelnder Riese

Galeria-Eigentümer Benko mied in der aktuellen Krise bisher das Licht der Öffentlichkeit, obwohl immer wieder die Forderung laut wurde, er solle mit eigenen Mitteln dem taumelenden Riesen unter die Arme greifen. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger kritisiert: »Unsere Kolleginnen und Kollegen in den 131 Warenhäusern fragen sich, wo der Eigentümer ist in dieser existenziell höchst bedrohlichen Situation für 17.400 Menschen und ihre Familien.«

Doch hat Benko in seiner Heimat Österreich mit anderen Problemen zu kämpfen. Mitte Oktober fand eine Durchsuchung in seiner Signa-Holding statt. Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zufolge besteht der Verdacht, dass er einem Spitzenbeamten im Finanzministerium einen Posten bei Signa angeboten haben soll, um eine Steuerprüfung zu beeinflussen.

Außerdem beginnt Anfang November in Wien ein Prozess um angebliche Spenden von Immobilienunternehmern an den wohltätigen Verein eines Wiener Gemeinderates, der dafür Hilfe bei Immobilienprojekten in Aussicht gestellt haben soll. Benko und andere sind wegen Bestechung angeklagt. Für Benko gilt im Zusammenhang mit den Finanzvorwürfen und dem Spendenprozess die Unschuldsvermutung. Der Sprecher der Signa-Holding reagierte nicht auf Anfragen der Deutschen Presse-Agentur.

So bleibt es in der Krise Galeria-Chef Müllenbach überlassen, den Mitarbeitern Mut zuzusprechen. In einem Brief an sie versprach er am Montag, der Konzern werde weiter eine wesentliche Funktion für die deutschen Innenstädte wahrnehmen. »Galeria ist zukunftsfähig.« (dpa)