BERLIN. »Vorübergehend geschlossen«, heißt es seit Montag nicht nur bei vielen Kneipen und Restaurants. Hotels dürfen keine Touristen mehr aufnehmen, auch Museen, Kinos und Theater haben dicht.
Deutschland im Teil-Lockdown: Ein paar Tage nach Beginn der harten Maßnahmen verkündet die Bundesregierung nun, wie genau die versprochenen Novemberhilfen aussehen.
Die Bundesregierung hat in der Corona-Krise bereits milliardenschwere Programme aufgelegt, um Firmen und Jobs zu erhalten. Immer wieder aber gab es Kritik, die Hilfen seien nicht zielgenau genug. Bei den Novemberhilfen will die Regierung nun »nicht kleckern«, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gesagt hatte. Er einigte sich mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf die Details der Hilfen.
»In dieser Krise geht es darum, solidarisch zusammenzustehen, damit wir weiter vergleichsweise gut durch die Pandemie kommen«, sagte Scholz am Donnerstag. Und Altmaier: »Wir lassen in dieser ernsten Lage unsere Unternehmen und ihre Beschäftigten nicht allein.«
Die große Frage aber ist noch offen: ab wann genau fließt das Geld? Scholz sagte, die Hilfen sollten »zügig« bei den Betroffenen ankommen. Altmaier sprach davon, dass so schnell wie möglich Abschlagszahlungen erfolgen sollten, möglichst bis Ende November 2020. Ein Überblick über die Hilfen:
UMFANG DER HILFEN
Die Hilfen haben ein Finanzvolumen von voraussichtlich rund 10 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Topf für die bereits bestehenden Überbrückungshilfen stammen. Das sind Zuschüsse vor allem für kleine und mittlere Firmen, die in der Corona-Krise hohe Umsatzausfälle haben. Von den dafür vorgesehen 25 Milliarden Euro wurden bislang aber erst rund 1,5 Milliarden Euro abgerufen. Verbände kritisieren ein zu bürokratisches Verfahren. In der Regierung wird darauf verwiesen, dass sich viele Branchen seit dem Lockdown im flächendeckenden Frühjahr erholt hätten.
WER DIE NOVEMBERHILFEN BEKOMMT:
Bund und Länder hatten Beschränkungen vereinbart, um die zweite Corona-Welle zu brechen. Antragsberechtigt für die Hilfen sind laut Finanz- und Wirtschaftsministerium direkt von temporären Schließungen betroffene Unternehmen, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen. Voraussetzung ist, dass sie auf der Grundlage der Beschlüsse von Bund und Länder vom 28. Oktober den Geschäftsbetrieb einstellen mussten. Hotels zählen als direkt betroffene Unternehmen.
Unterstützung bekommen auch indirekt betroffene Firmen - also etwa Lieferanten für Kneipen. Grundsätzlich stehen die Hilfen allen Unternehmen offen - sie müssen aber »nachweislich und regelmäßig« 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungen betroffenen Unternehmen erzielen. Darum dürfte nun bei diesen Betrieben das große Rechnen beginnen. Die Regel sorgt außerdem für Kritik.
HÖHE DER FÖRDERUNG:
Mit der Novemberhilfe werden Zuschüsse pro Woche der Schließungen in Höhe von 75 Prozent des durchschnittlichen wöchentlichen Umsatzes im November 2019 gewährt - bis zu einer Obergrenze von 1 Millionen Euro, soweit der bestehende EU-beihilferechtliche Spielraum das zulässt. Die Regierung spricht deswegen technisch von Wochenumsätzen, weil es rein theoretisch sein kann, dass Bund und Länder die Schließungen Mitte November zurücknehmen - womit allerdings nicht zu rechnen ist.
Zuschüsse über 1 Million Euro müssen von der EU-Kommission genehmigt werden. Vor allem bei großen Unternehmen schaut Brüssel genau hin, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.
Soloselbstständige - also Ein-Mann-Betriebe ohne Angestellte wie etwa Künstler - können als Vergleich auch den durchschnittlichen Umsatz im Jahr 2019 zugrunde legen. Damit kommt die Regierung etwa Musikern oder Schauspielern entgegen, deren Einnahmen oft schwanken und die im November 2019 gar keine Umsätze hatten.
Eine Sonderregel gilt für junge Firmen, die erst nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben. Sie können als Vergleich auch den Oktober 2020 nehmen oder einen Durchschnittsumsatz seit der Gründung.
ANRECHNUNGEN
Andere staatliche Leistungen, die Firmen im November bekommen, werden angerechnet. Das gilt vor allem für Leistungen wie die bereits seit langem laufenden Überbrückungshilfen oder Kurzarbeitergeld.
Eine Sonderregel gilt auch dann, wenn Betriebe nicht ganz dicht machen. Wenn im November trotz der grundsätzlichen Schließung Umsätze erzielt werden, werden diese bis zu einer Höhe 25 Prozent des Vergleichsumsatzes nicht angerechnet. Damit soll verhindert werden, dass Betriebe ein Plusgeschäft machen.
Für Restaurants gilt: Die Erstattung ist auf Umsätze mit vollem Mehrwertsteuersatz begrenzt. Das bedeutet: Verkaufte Speisen im Außer-Haus-Geschäft werden aus der Gesamtrechnung herausgenommen, damit Restaurants dieses Krisengeschäft ausweiten.
Finanz- und Wirtschaftsministerium nannten ein Beispiel: Eine Pizzeria hatte im November vor einem Jahr einen Umsatz von 8000 Euro im Restaurant und einen von 2000 Euro durch das Take-away-Geschäft. Sie erhält nun eine Novemberhilfe von 6000 Euro - 75 Prozent des Umsatzes innerhalb des Restaurants. Das ist zwar weniger als andere Branchen, weil die Vergleichszahl nicht der Gesamtumsatz ist. Dafür soll die Pizzeria im November 2020 deutlich mehr als die in diesem Einzelfall allgemein zulässigen 2500 Euro an Umsatz mit Lieferdiensten erzielen können, ohne dass die Förderung gekürzt wird.
ANTRÄGE UND AUSZAHLUNG
Die Anträge sollen in den nächsten Wochen über die bundeseinheitliche IT-Plattform der Überbrückungshilfe gestellt werden. Diese muss noch entsprechend geändert werden. Wie bei den Überbrückungshilfen sollen die Anträge von einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer gestellt werden - die Bundesregierung will damit Missbrauch vorbeugen. Die Auszahlung selbst erfolgt durch die Länder. Eine Ausnahme gibt es für Soloselbstständige, die nicht mehr als 5000 Euro Förderung beantragen. Sie sollen die Anträge direkt stellen können.
KRITIK
Einige Branchen fühlen sich im Stich gelassen. So kritisierte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, der Umsatz des Taxigewerbes breche aufgrund der angeordneten Maßnahmen um 80 Prozent ein - Hilfe bekomme aber nur, wer die Restaurants, den Tourismus oder die Veranstalter direkt als Kunden habe. »Unsere Kunden sind aber deren Gäste, die jetzt natürlich ausbleiben.« Oppermann warnte vor einer Insolvenzwelle. Auch vom Deutschen Reiseverband kam Kritik: Reisebüros und Reiseveranstalter fielen durch den Rost des November-Hilfspakets. (dpa)