BERLIN. Die neuen Corona-Beschränkungen von Bund und Ländern machen sich auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn bemerkbar: Fahrgäste können von Freitag an nur noch einen Sitzplatz pro Doppelsitz reservieren, wie der bundeseigene Konzern am Donnerstag mitteilte.
Der jeweilige Platz daneben bleibt demnach für eine Reservierung gesperrt. Insgesamt sollen maximal 60 Prozent der Plätze pro Zug reservierbar sein. Zuvor hatte die »Bild«-Zeitung über die Pläne berichtet.
An den Tischen sind demnach nur sich schräg gegenüberliegende Plätze reservierbar. Gemeinsam Reisende wie Familien und Paare können in Extra-Bereichen nebeneinander liegende Sitzplätze reservieren, wie es hieß. Einzelreisenden werden der Bahn zufolge automatisch Fenstersitzplätze zugewiesen, sofern diese noch frei sind. Allerdings können Fahrgäste auch weiterhin ohne Reservierung in den Zug steigen.
»Ab Mitte Dezember bieten wir darüber hinaus mit neuen Zügen zusätzlich tausende Sitzplätze und häufigere Fahrten auf vielen Hauptstrecken an«, teilte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber mit. Um rund 10 Prozent will die Bahn eigenen Angaben zufolge das aktuelle Fahrplanangebot aufstocken.
Die Bahn folgt damit den Anordnungen des Bundes und der Länder, die sich am Mittwochabend auf diese Maßnahmen geeinigt hatten, um soziale Kontakte zu erschweren und das Coronavirus weiter zurückzudrängen. Um eine Reservierungspflicht, wie sie zwischenzeitlich in den Vorschlägen des Bundes auftauchte, ist die Bahn damit vorerst herumgekommen. »Die Entscheidung von Bund und Ländern begrüßen wir«, teilte Huber mit.
Zwar sind fortan nur noch bestimmte Sitze in einem Zug reservierbar und zu volle Züge sollen online gar nicht mehr buchbar sein. Doch wer ein flexibles Ticket ohne Reservierung kauft, kann sich trotzdem auf den Sitzen am Gang niederlassen, sollte es keinen freien Fensterplatz mehr geben.
Die Bahn hofft, die Auslastung mit dem zusätzlichen Fahrplanangebot so gering zu halten, dass solche Situationen nur selten auftreten werden. In den vergangenen Wochen ist die Nachfrage ohnehin wieder deutlich gesunken. Die Fernzüge sind derzeit laut Bahn lediglich zu 20 bis 25 Prozent ausgelastet. Im Sommer nach dem ersten Lockdown lag sie bei rund 30 bis 40 Prozent. In normalen Zeiten sind es im Schnitt 60 Prozent.
Eine Reservierungspflicht, mit der das Fahrgastaufkommen in den Zügen möglicherweise besser gesteuert werden könnte, hatte die Bahn stets abgelehnt. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hält nichts von der Idee. Sie fürchtet um zusätzliche Belastungen für die Zugbegleiter, die durchsetzen müssten, dass tatsächlich kein Fahrgast ohne Reservierung an Bord geht.
Und selbst der Fahrgastverband Pro Bahn ist dagegen. »Ein nicht unerheblicher Teil der Reisenden im Fernverkehr nutzen diesen auch für Strecken im Bereich von ca. 50 bis gut 100 Kilometern«, teilte der Verband bereits am Mittwoch mit. Viele Pendler würden mit einer Reservierungspflicht aber Flexibilität einbüßen, weil sie nicht mehr spontan den Fernverkehr nutzen könnten.
Pro-Bahn-Ehrenvorsitzender Klaus-Peter Naumann hält die nun beschlossenen Maßnahmen angesichts der geringen Nachfrage deshalb für ausreichend. »Wenn das technisch funktioniert, ist das eine gute Sache«, sagte er am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. »Wenn plötzlich doch deutlich mehr Reisende als gedacht mit der Bahn fahren, kann man immer noch überlegen, ob man einzelne Züge mit einer Reservierungspflicht belegt. Dazu sehen wir aber keinen Anlass.«
Nachbesserungen an den Regelungen für die Bahn forderte hingegen Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband. »Die Vorschläge sind nicht zu Ende gedacht und müssen durch Kulanz-Regelungen ergänzt werden«, sagte sie dem »Handelsblatt«. Bereits gekaufte Tickets müssten angesichts der Erwartung, dass die Bevölkerung aufs Reisen verzichte, kostenfrei zurückgegeben oder umgebucht werden können. (dpa)