BERLIN. Der Einzelhandel in Deutschland fürchtet angesichts der ausbleibenden Erfolge in der Corona-Eindämmung einen monatelangen Lockdown für große Teile der Branche.
In einem Brief an Kanzleramtsminister Helge Braun warnte der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, selbst wenn nach Weihnachten der gesamte Nicht-Lebensmittelhandel geschlossen werde, könne mit höchster Wahrscheinlichkeit der angestrebte Inzidenzwert von 50 bis zum 11. Januar nicht erreicht werden.
»Wir befürchten damit in einen perspektivlosen Zustand mit einem wochen- oder monatelangen Lockdown zu geraten, den der überwiegende Teil des innerstädtischen Einzelhandels nicht überleben wird«, warnte der HDE-Präsident. Deshalb müsse schon jetzt klargestellt werden, dass ein möglicher Jahresend-Lockdown nicht verlängert werde. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sprach sich gegen bundesweite Ladenschließungen aus.
Sanktjohanser warnte vor Überlegungen, den Nicht-Lebensmittelhandel schon ab dem 21. Dezember zu schließen. »Eine solche politische Entscheidung hätte nicht nur fatale wirtschaftliche Folgen für unsere Branche, sondern würde auch einen Kundenansturm bis hin zu Panikkäufen auslösen.« Das sei mit Blick auf die in der Pandemie gebotene Entzerrung der Kundenströme völlig kontraproduktiv.
Sanktjohanser betonte, der Handel sei kein Infektionshotspot. Dies bewiesen schon die unterdurchschnittlichen Infektionen bei den Mitarbeitern. Die erwogene Schließung eines großen Teils des Einzelhandels sei deshalb nicht verhältnismäßig, zumal jeder Schließungstag alleine im Nicht-Lebensmittelhandel Umsatzausfälle von 800 Millionen Euro verursachen werde.
Erneute Ladenschließungen hätten nach Einschätzung des HDE fatale Folgen für das Überleben vieler Einzelhändler. »Es wäre daher zwingend, dass die von einem möglichen Lockdown betroffenen Unternehmen für den gesamten Zeitraum der Schließung umfassend entschädigt werden«, verlangte der HDE-Präsident. Für Dezember müsse der direkt betroffene Einzelhandel zu 70 beziehungsweise 75 Prozent seines Umsatzausfalls entschädigt werden. Das gleiche müsse für die Schließungstage im Januar gelten. »Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn dem Handel im Vergleich zu anderen Branchen ein Sonderopfer abverlangt wird«, schrieb Sanktjohanser.
Der neue BDA-Präsident Rainer Dulger sprach sich gegen bundesweite Ladenschließungen aus. »Den Einzelhandel pauschal in ganz Deutschland zu schließen, hielte ich für falsch, weil sich das Infektionsgeschehen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern ganz anders darstellt als in Sachsen«, sagte er dem »Handelsblatt«. Der Einzelhandel habe schon viel gelitten und sollte auf jeden Fall noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen können. »Wenn schärfere Maßnahmen geplant werden, sollten wir vor allem über die Zeit nach Feierabend reden, also beispielsweise private Feiern«, meinte Dulger. (dpa)