Hamburg (dpa) - Die Optiker-Kette Fielmann rechnet damit, nach der akuten Phase der Corona-Epidemie nicht sofort wieder in den Normalzustand zurückkehren zu können. Falls die Filialen in einer Art Notbetrieb wieder geöffnet werden dürften, will Fielmann vorbereitet sein.
Das Unternehmen habe bei dem Hygiene-Wissenschaftler Prof. Martin Exner von der Universität Bonn ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie künftig im Einzelhandel eine effektivere Vorbeugung gegen Infektionen zu sichern sei, teilte der Vorstandsvorsitzende Marc Fielmann der Deutschen Presse-Agentur mit.
Exner habe sich für das Gutachten die Beratung und Prozesse in Fielmann-Filialen angesehen. Er werde die hygienischen Risiken und Infektionsgefahren sowie mögliche Vorsorgemaßnahmen im Filialbetrieb analysieren. Die Ergebnisse des Gutachtens sollen in der am Montag beginnenden Woche veröffentlicht werden und damit auch anderen Einzelhändlern zur Verfügung stehen.
Wirtschaftlich sieht Fielmann zuversichtlich nach vorn. »Kurzfristig fällt eine seriöse Prognose schwer; das hängt von politischen Entscheidungen und dem Verhalten eines jeden Einzelnen ab«, sagte er. »Langfristig erwarten wir bei dem Verkauf von Brillen eine erhebliche Nachfrage, wenn die Niederlassungen wieder öffnen. Bei der Brille gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.« An normalen Werktagen verkauft Fielmann in Deutschland mehr als 30.000 Brillen.
Doch die rund 770 Filialen der größten deutschen Optiker-Kette im In- und Ausland sind seit dem 20. März weitgehend geschlossen. Es wird noch ein Notdienst aufrecht erhalten für systemkritische Berufe und Notfälle. Für die meisten der mehr als 20.000 Mitarbeiter ist Kurzarbeit beantragt. Fielmann hat zugesichert, das Kurzarbeitergeld für die Betroffenen auf 100 Prozent aufzustocken.
Im brandenburgischen Rathenow hat das Unternehmen mit der Fertigung von medizinischen Schutzbrillen begonnen. »Wir können im April 50.000 Stück herstellen und im Mai bei Bedarf noch mehr«, sagte Marc Fielmann, der nach dem vollständigen Rückzug seines Vaters Günther Fielmann seit einigen Monaten allein an der Spitze des Unternehmens steht. Speziell für Schutzbrillen in der individuellen Sehstärke sehe er auch in Zukunft einen Markt. Die ersten 20.000 Schutzbrillen würden an medizinische Einrichtungen gespendet.
Seine Ladenmieten will Fielmann im April vollständig inklusive Nebenkosten bezahlen, soweit es sich bei den Vermietern in den Innenstadtlagen um Einzelpersonen oder kleinere Unternehmen handelt. In Einkaufspassagen oder Shopping-Malls, wo auf der Vermieterseite oft finanzstarke Investoren wie Immobilienfonds oder Versicherungen stehen, werde Fielmann das Gespräch suchen, um so die Last auf zwei starke Schultern zu verteilen.
Die Fielmann AG ist praktisch schuldenfrei und mit einem hohen Eigenkapital ausgestattet. »Wir könnten die Situation mehrere Monate durchstehen«, sagte Fielmann. Dennoch müsse das Unternehmen mit einem geschlossenen Filialnetz vorübergehend mit einem erheblichen Rückgang bei Absatz, Umsatz und Gewinn rechnen. Dementsprechend würden nicht notwendige Ausgaben gestrichen, Investitionen verschoben und das Geld zusammengehalten, um die Liquidität abzusichern. Auch die bereits in Aussicht gestellte Dividende für das Geschäftsjahr 2019 wurde gestrichen. Das trifft vor allem die Mitglieder der Familie Fielmann selbst, die über die Aktienmehrheit verfügen. (dpa)