DÜSSELDORF. Nur noch zwei Wochen sind es bis zum Start der Fußball-Europameisterschaft. Doch von dem sonst üblichen Fußballfieber ist im Einzelhandel bislang kaum etwas zu spüren.
Wo sonst Markenhersteller und Handelsketten mit großangelegten Werbeaktionen vom Glanz der Megaevents profitieren wollen, herrscht in diesem Jahr häufig Funkstille.
»Wir erkennen im gesamten Konsumgüter- und Lebensmittelbereich eine deutliche Aktionszurückhaltung, wenn es um das Thema Fußball-Europameisterschaft geht«, sagte der Marketingdirektor der Brauerei Veltins, Herbert Sollich, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Aus dem Top-Thema EM-Fußball sei angesichts der Pandemie sogar in der sonst so fußballbegeisterten Getränkewirtschaft ein Randthema geworden.
Mit seiner Einschätzung steht Sollich nicht allein. Das Branchenfachblatt »Lebensmittel Zeitung« titelte kürzlich »EM-Werber halten den Ball flach«. Und auch der Marketing-Fachmann Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf urteilt: »Man hat bislang gar nicht das Gefühl, dass da bald was losgeht. Die Firmen sind extrem zurückhaltend.«
Events wie die Fußball-Europameisterschaft oder Olympia seien in normalen Zeiten eine großartige Gelegenheit für Konsumgüterhersteller und Handelsketten, die Kundenbindung zu stärken und ihre Marken bekannter zu machen, urteilt Fassnacht. »Aber in diesem Jahr ist das anders. Das Fieber ist nicht da. Die Stimmung fehlt. Alles wird immer noch von der Covid-19-Pandemie überlagert.«
Der Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker beschloss deshalb bereits vor einigen Wochen, auf eine geplante Kampagne rund um die EM 2021 zu verzichten. Nach eingehender interner Bewertung sei das Unternehmen zu dem Schluss gekommen, dass mögliche Maßnahmen aufgrund der vorherrschenden Situation mit zu großen Unsicherheiten verbunden seien, sagte ein Firmensprecher.
Andere wollen nicht ganz so weit gehen und suchen einen Mittelweg. So verbindet Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka aktuell in seiner Werbekampagne »Heiße Liebe« die Themen Fußball und Grillen. Der Sportjournalist Gerhard Delling fachsimpelt in einem TV-Spot mit einem Edeka-Verkäufer an der Fleischtheke über die besten »Spielzüge« am Grill. Der Vorteil: Selbst wenn die Fußball-EM doch noch ausfallen sollte, hält das Thema Grillen die Werbung relevant.
Aldi Nord lockt mit einer Sammelaktion rund um die TV-Serie »Shaun das Schaf«. Das hat erstmal nicht viel mit Fußball zu tun, doch enthält das passende Sammelalbum auch ein Poster zur Fußball-EM. Aldi Süd setzt stattdessen auf Emoji-Sammelfiguren - und weil das im Kontext der Fußball-EM geschieht, gibt es unter den 20 Sammelfiguren auch einen Pokal und eine Rote Karte. Und natürlich haben die Discounter auch ein paar Fan-Artikel im Angebot. Rivale Lidl hat dagegen wieder Panini-Sammelbilder im Verkauf.
Marketingexperte Fassnacht hält die Mischstrategie für clever. »Es besteht immer das Risiko, dass alles noch abgesagt werden muss und damit die teuren Kampagnen ins Leere laufen«, betonte er. Viele Unternehmen gingen deshalb auf Nummer sicher. »Statt reiner Werbung zur Fußball-EM setzen sie auf normale Werbeaktionen mit einem kleinen Fußball-Touch«. Das habe vielleicht nicht so viel Wirkung wie die EM-Werbung in einem normalen Jahr, aber es garantiere, dass die Werbung auf jeden Fall funktioniere – egal was mit der EM passiere.
Doch natürlich gibt es auch so manchen Hersteller, der das Thema EM auch in diesem Jahr mit Herzblut angeht. Hersteller von Knabbergebäck und Süßigkeiten etwa setzen darauf, dass in diesem Jahr besonders viele Fußballfans die Spiele vor dem eigenen Fernseher verfolgen werden. Haribo hat deshalb Fruchtgummi-Aktionsprodukte wie Stadionwurst und Dreierkette im Angebot. Der Knabberartikelhersteller Intersnack setzt bei Chips und Erdnüssen auf spezielle Fan-Editionen im XXL-Format. Und der Markenartikler Nivea verteilt wie schon in früheren Jahren auch bei der Fußball-EM 2021 beim Kauf von Cremes und Sonnenölen ab einem Mindestwert ein Fan-Trikot gratis. Fragt sich nur: Funktioniert all das im Corona-Jahr 2021 so gut wie sonst. (dpa)