Logo
Aktuell Wirtschaft

Bundesregierung erwartet schwere Rezession

Es ist ein düsterer Ausblick. Die Corona-Krise lässt die deutsche Wirtschaftsleistung einbrechen. Und es ist noch lange nicht vorbei. In der Wirtschaft wächst die Kritik am Kurs der Regierung.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
Die Bundesregierung erwartet eine schwere Rezession in Deutschland. Foto: John Macdougall/AFP-Pool/dpa
Die Bundesregierung erwartet eine schwere Rezession in Deutschland. Foto: John Macdougall/AFP-Pool/dpa

BERLIN. Die Bundesregierung rechnet infolge der Corona-Krise mit einem dramatischen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland und der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte.

Das hat Folgen auch für Beschäftigte: Die Arbeitslosigkeit steigt laut Prognose deutlich. Erst 2022 dürfte die Wirtschaftskraft wieder das Niveau vor der Krise erreicht haben. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellte am Mittwoch in Berlin neue Finanzhilfen für Gastgewerbe, Veranstalter und Kulturbranche in Aussicht. Mit einem Konjunkturprogramm soll die Nachfrage angekurbelt werden. Was die Prognose bedeutet:

DIE KERNPUNKTE DER FRÜHJAHRSPROJEKTION:

Die massiven Folgen der Corona-Krise mit drastischen Einschränkungen im öffentlichen Leben im Kampf gegen das Virus stürzen die deutsche Wirtschaftsleistung in ein tiefes Tal. Im zweiten Quartal geht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) den Schätzungen zufolge um elf Prozent zurück, im Gesamtjahr um 6,3 Prozent. Für das Jahr 2021 wird ein Zuwachs in Höhe von 5,2 Prozent erwartet. Das Wirtschaftsministerium unterstellt dabei, dass die Corona-Beschränkungen ab Mai schrittweise weiter gelockert werden und es im zweiten Halbjahr wirtschaftlich wieder aufwärts geht - das aber ist keineswegs sicher und hängt vom Verlauf der Pandemie ab.

Zum Vergleich: In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 ging das Bruttoinlandsprodukt um 5,7 Prozent zurück. Die weltweite Corona-Krise mit unterbrochenen Lieferketten belastet vor allem den deutschen Export, aber auch der private Konsum bricht ein. Altmaier sprach von einem massiven »Inlands- und Auslandschock«. Die Unternehmen investieren laut Prognose deutlich weniger, auch die zuletzt boomende Nachfrage nach Bauinvestitionen geht zurück.

DIE CORONA-FOLGEN FÜR ARBEITNEHMER

Hunderttausende Beschäftigte sind in Kurzarbeit, das bedeutet für viele Arbeitnehmer deutliche Einkommensverlusten - auch wenn die Regierung das Kurzarbeitergeld erhöhen will. Mit dem Kurzarbeitergeld sollen Massenentlassungen verhindert werden. Dennoch wird Corona deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen.

Altmaier sagte, erstmals seit Jahren werde es wieder einen Rückgang der Beschäftigung geben, dies schmerze. Laut Projektion dürfte im laufenden Jahr die Erwerbstätigkeit um 370 000 Personen zurückgehen. Besonders betroffen seien das Gastgewerbe, der Handel sowie die Unternehmensdienstleistungen. Die Arbeitslosigkeit dürfte im Jahresdurchschnitt auf 5,8 Prozent wachsen. Im März lag die Quote bei 5,1 Prozent - dies war das Niveau vor dem Ausbruch der Krise. Rückgänge erwartet die Regierung auch bei den Arbeitnehmerentgelten, die insgesamt um 0,9 Prozent sinken.

WORAUF SICH DER STAAT EINSTELLEN MUSS

Die Projektion der Bundesregierung zeigt bereits, wo es in diesem Jahr mit den Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen ungefähr hingehen wird - nämlich bergab. Weniger Arbeit bedeutet weniger Einkommensteuer, der heftige Gewinneinbruch der Unternehmen auch deutlich weniger Gewerbesteuer für die Kommunen. Bei den gerade veröffentlichten März-Zahlen deutet sich das mit einem Minus von 1,8 Prozent zum Vorjahr bereits an - die wahren Auswirkungen werden aber erst im zweiten Quartal absehbar sein.

Eine konkrete Steuerschätzung für die nächsten Jahre gibt es im Mai, die am Mittwoch vorgestellten Daten sind eine wichtige Grundlage dafür. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in seinem Nachtragshaushalt zunächst damit gerechnet, dass die Steuereinnahmen in diesem Jahr um 33,5 Milliarden Euro geringer ausfallen werden als zuvor gedacht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es nun noch schlimmer kommt. Auch so will die Bundesregierung in diesem Jahr schon 156 Milliarden Euro an Schulden aufnehmen.

WAS DIE REGIERUNG TUT:

Die Bundesregierung hat umfassende Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, um die Corona-Folgen abzufedern. Das Wirtschaftsministerium sprach von einem beispiellosen Schutzschirm von mehr als einer Billion Euro. Es gibt aber Lücken. Dies gilt vor allem für Branchen, die nach ersten Lockerungen wie der Öffnung von kleinen Läden noch immer keine Perspektive haben, wann und wie es weitergeht - das betrifft das Gastgewerbe, Veranstalter und Kulturbranche. Altmaier stellte nun neue Finanzhilfen in Aussicht.

Möglicherweise könne es Ende Mai erste Lockerungen etwa für die Gastronomie geben - ohne einen zweiten hohen Anstieg der Infektionszahlen zu riskieren. Altmaier kündigte baldige konkrete Vorschläge für neue Finanzhilfen an - wie auch für einen Vier-Punkte-Plan für einen Neustart der Wirtschaft. Dieser sieht für die Zeit auch ein Konjunkturprogramm vor, das will auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

In der politischen Debatte sind etwa ein Vorziehen der Soli-Teilabschaffung auf den Sommer, steuerliche Entlastungen für Firmen und höhere Kaufprämien für Autos. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte, es müsse zielgenau in Zukunftstechnologien wie Erneuerbare Energien, Wasserstoff und Digitalisierung investiert werden. FDP-Fraktionsvize Christian Dürr forderte Union und SPD auf, teure Projekte wie die Grundrente auf Eis legen.

ANGST VOR »UNTERGANG« IN DER WIRTSCHAFT

Bund und Länder hatten Erwartungen gedämpft, dass es bei Beratungen am Donnerstag weitere große Schritte über Lockerungen gibt. Das passt vielen Verbänden gar nicht. Das wirtschaftliche Leben müsse ab dem 4. Mai reaktiviert werden, heißt es in einem Brandbrief mehrerer Wirtschaftsverbände an die Bundesregierung, darunter sind der Hotel- und Gaststättenverband und der Handelsverband. »Die Angst in den Unternehmen vor dem Untergang« schlage in tiefe Verzweiflung um. Altmaier nahm den Ball auf und sprach sich dafür aus, nächste Woche einen Fahrplan für das Wiederhochfahren der Wirtschaft vorzulegen.