BERLIN. Mehr als 100 Folgen, rund 135 Millionen Abrufe, zahllose Studien, Erklärungen, Warnungen, Beschwichtigungen – der Podcast »Das Coronavirus-Update« begleitet viele Menschen seit mehr als zwei Jahren Pandemie.
Am Dienstagabend waren die Virologen Sandra Ciesek und Christian Drosten nun vorerst zum letzten Mal in einer regulären Folge bei NDR-Info zu hören. Die Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main und von der Charité in Berlin, die sich in dem Format zuletzt abwechselten, sprachen über die derzeitige Corona-Lage, die größten Überraschungen der Pandemie – und ihre Rolle in der Öffentlichkeit.
»Die Zahlen werden sicherlich zumindest bis zu den Osterferien oder ein, zwei Wochen danach noch relativ hoch bleiben«, sagte Drosten mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen. Derzeit profitiere man vom Haupteffekt durch die Impfung und von der Abmilderung der Krankheitsschwere bei Omikron. »Wir können jetzt schon sagen, die Situation ist dadurch deutlich besser geworden. Sie ist aber nicht komplett aufgelöst.«
Masken weiter empfohlen
Man erkenne einen linearen Anstieg bei den Krankenhauseinweisungen und eine Verlagerung zu höheren Altersgruppen, erklärte Drosten. Deswegen gehe er davon aus, dass sich demnächst die Intensivstationen stärker füllten und mehr Todesfälle zu verzeichnen seien – möglicherweise bis etwa Mitte Mai. Die Frankfurter Virologin Ciesek fügte hinzu, wenn die Infektionszahlen wie aktuell wieder stiegen, sei es »natürlich schlecht, wenn man dann noch zusätzlich Maßnahmen aufhebt und damit das noch ankurbelt«.
Sie empfahl ausdrücklich, auch weiterhin Masken zu tragen – etwa in Situationen, in denen es eng wird, in schlecht belüfteten Innenräumen und im öffentlichen Nahverkehr. »Alle Risikopatienten sollten unbedingt für sich selber weiter Maske tragen, wenn es schon nicht alle anderen tun«, riet auch Drosten. Möglicherweise komme man irgendwann bei sinkender Inzidenz und fehlenden Auflagen zu einer »asiatischen Höflichkeit« beim Maskentragen.
Als Zeichen für das Ende der Pandemie will das Podcast-Team den Ausstieg von Drosten und Ciesek nicht verstanden wissen, wie zuletzt wiederholt betont wurde. Die Wissenschaft habe ihren Teil beigetragen und es bleibe zunächst nicht mehr viel zu sagen, nun sei die Politik am Zug, hieß es. Auch in der letzten Ausgabe machte Drosten noch einmal deutlich, dass er erwarte, dass sich das Virus weiterentwickle. So komme es nun wieder nach China und sei angesichts der großen Bevölkerung dort kaum zu kontrollieren. »Das schafft enorme Evolutionsmöglichkeiten für das Virus«, erklärte er.
Infektionsgeschehen nicht einfach »laufen lassen«
Mit Blick auf den kommenden Herbst rechnet Drosten wieder mit einer stärkeren Übertragung. Er denke nicht, dass man das Infektionsgeschehen dann einfach »laufen lassen« könne, mahnte er. »Vielleicht ist das aber der letzte Herbst, wo man da noch mal so gegenbremsen muss.«
Begonnen hatte »Das Coronavirus-Update« Ende Februar 2020 – in einer Zeit großer Verunsicherung. Fortan diente der Podcast vielen Menschen als wichtige Informationsquelle und eine Art Wegweiser im dynamischen und teils sehr komplizierten Infektionsgeschehen. Das mehrfach ausgezeichnete Format spiegelte das sich stetig ändernde Wissen wider. Drosten und Ciesek widmeten sich den zentralen Fragen – wie man das Virus bekämpft, wie komplexe Studien zu begreifen sind, welche Maßnahmen nötig sind. Das Ergebnis: Einzelne Folgen konnten auch schon mal über zwei Stunden lang sein.
Was hat die Experten in zwei Jahren Pandemie am meisten überrascht? Drosten und Ciesek seien beide erstaunt darüber, wie schnell sich das Virus verändere und über die Geschwindigkeit, in der sich die unterschiedlichen Virusvarianten bisher abgelöst hätten, sagten sie in der letzten Folge. »Das ist eigentlich so eine dauerhafte Verblüffung«, beschrieb Drosten sein Empfinden.
Zurückbesinnen auf Forschungsfelder
In der Öffentlichkeit wurde insbesondere er oft als Mahner wahrgenommen, gab aber auch in einigen Fällen vorsichtig Entwarnung und betonte immer wieder, die Menschen hätten den Pandemieverlauf auch selbst in der Hand. Die Kehrseite der enormen öffentlichen Präsenz: Für einige Maßnahmenkritiker wurde vor allem Drosten zum Feindbild. Er sei teils auf offener Straße angegangen worden, schilderte Drosten. Derzeit habe er aber das Gefühl, dass sich die Aufmerksamkeit um ihn normalisiere – und das sei gut so. »Ich glaube, das ist nie gut, wenn eine Person für ein Thema so identifiziert wird, weil das einfach ja auch nicht der Realität entspricht.«
Jetzt wollten sie sich wieder auf ihre Forschungsfelder fokussieren, führten Drosten und Ciesek aus. Mit dem Podcast soll es zunächst aber auch ohne sie weitergehen: Laut NDR sind als nächstes Sonderfolgen geplant. Zudem hieß es, bei wichtigen aktuellen Entwicklungen würden auch die beiden Virologen als Gesprächspartner erhalten bleiben. (dpa)