WEEZE/KLEVE. 10 bis 15 Euro kostet ein normales Legehuhn, Küken gibt es sogar für 50 Cent. Doch wenn ein Tier erst mal prominent im Fernsehen zu sehen war, sieht die Sache anders aus. 4000 Euro forderte die Besitzerin des »TV-Huhns« Sieglinde am Freitag vor dem Landgericht Kleve vom Eigentümer eines Hundes, der das Huhn 2017 totgebissen hatte. Begründung: »Sieglinde« war ein Star. Sie habe zum Beispiel für in der ARD ausgestrahlten Film »Wir sind doch Schwestern« mit großem Erfolg vor der Kamera gestanden, sagte die Eigentümerin Ute Milosevic.
Die Hundeattacke vom Juni 2017 schilderte sie vor Verhandlungsbeginn noch mal den Journalisten: Sie habe auf ihrem Hof einen Stall ausgemistet, Sieglinde habe friedlich auf dem Hof gepickt. Da sei der Hund angerannt gekommen, habe das Huhn regelrecht zerfetzt und sei dann mit »Sieglinde« im Maul noch eine Weile herumgelaufen. Der Besitzer konnte seinen Hund nicht stoppen. Als Entschuldigung habe er ihrem Mann einen Zehner angeboten. »Es ist doch nur ein Huhn« - der Satz soll gefallen sein. Milosevic war empört und tief getroffen. Weinend rief sie die Tiertrainerin an, die das Huhn TV-tauglich ausgebildet hatte.
Vor Gericht ging es nun nicht mehr um Emotionen, sondern um Schadenersatz. Schließlich sei Sieglinde mit zwei Jahren noch jung gewesen und habe bereits neue Angebote gehabt, sagte die Besitzerin. Tierauftritte in Kino und TV seien durchaus lukrativ, berichtete Sieglindes Tiertrainerin Aurelia Franke-Hornung vor Verhandlungsbeginn. Hohe dreistellige Summe pro Drehtag würden regelmäßig bezahlt. Für Hühner im TV sei Ruhe alles. Flatternde Hühner trauten sich Schauspieler sonst oft gar nicht anzufassen. Und Sieglinde war die Ruhe selbst. Also - wie hoch war der Schaden?
Das Amtsgericht hatte darauf in der ersten Instanz eine nüchterne Antwort: 15 Euro für das Huhn, 600 Euro für die Ausbildung bei der Tiertrainerin, entgangene Honorare seien nicht Sache des Verfahrens. Die 615 Euro Wert von Sieglinde müssten wegen Mitschuld der Besitzerin durch zwei geteilt werden, weil Milosevic das Tier auf ihrem Hof frei hatte herumlaufen lassen - also 307,50 Euro.
Das Landgericht sah das etwas weniger streng. Zumindest eine Mitschuld der Besitzerin sei nicht anzunehmen, wenn sie ein Tier auf ihrem eigenen Grund und Boden laufen lasse, sagte der Vorsitzende Richter. Entgangene Gewinne seien aber hier kein Thema.
Die Anwältin von Milosevic beharrte dennoch auf den 4000 Euro. Sieglinde sei besonders begabt gewesen und habe in nur zehn Stunden Ausbildung alles Nötige für den TV-Einsatz gelernt, begründete die Rechtsanwältin der Frau die hohe Forderung. Ein neues Huhn werde möglicherweise deutlich länger brauchen und deshalb auch höhere Ausbildungskosten verursachen - wenn es überhaupt wieder so ein Talent gebe.
»Ja, es gibt keine Tierhandlung für Filmstars«, räumte der Vorsitzende Richter ein. Und ob eine teure Ausbildung eines anderen Huhns zum Erfolg führe, sei ja völlig offen. »Es gibt doofe Hühner und es gibt Talente«, sagte er. »Sie kaufen ein neues Huhn, haben Glück und nach zehn Stunden kann das Huhn Fahrradfahren.«
All das sei aber nicht Sache des Schadenersatzprozesses, sagte der Vorsitzende Richter. Denn sonst müsste man ja mit dem Urteil jahrelang warten, bis die Ausbildungskosten eines Sieglinde-Nachfolgers feststünden - unmöglich. »Wir müssen schätzen - es geht nicht anders«, sagte er. Nach einem Volltreffer für Sieglindes Besitzerin klang das nicht. Am 20.12. will das Gericht seine Entscheidung verkünden. (dpa)