NÜRNBERG. Zu den Branchen, die in der Corona-Pandemie besonders große Einschränkungen zu verkraften hatten, gehört die Sexarbeit. Über Monate waren Bordelle und Clubs geschlossen. Prostituierte wussten nicht mehr, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren sollten.
Das hat bis heute Folgen: Viele Sexarbeitende sind während des Lockdowns in die Illegalität abgewandert - und dort geblieben. Im Nürnberger Rotlichtviertel rund um die Frauentormauer sitzen zwar wieder Frauen in den Fenstern und versuchen Kunden mit ihren Reizen zu locken. Doch in einigen Häusern stehen noch immer Zimmer leer. Nicht alle Frauen seien in ihren alten Job zurückgekehrt, sagt eine Bordellbetreiberin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. »Viele sind ins Ausland gegangen, wo die Bestimmungen anders sind.« Andere hätten während der Lockdowns in privaten Wohnungen weitergearbeitet und täten das nun weiterhin.
Kunden verlangen mehr
Hedwig Christ von der Nürnberger Beratungsstelle Kassandra, die Anfragen von Prostituierten aus ganz Deutschland bekommt, sieht diese Entwicklung mit Sorge. »Wir hören von Frauen, die illegal arbeiten, dass die Kunden mehr verlangen.« Zum Beispiel ungeschützten Sex. Christ überrascht das nicht: Erfahrungen hätten gezeigt, dass Gewalt und übertragbare Krankheiten immer dann zunehmen, wenn Sexarbeit verboten ist. Christ hat aber auch festgestellt, dass sich viele Prostituierte nach den Erfahrungen in den vergangenen beiden Jahren beruflich verändern wollen und jetzt einen krisenfesten Job suchen.
Die Corona-Folgen zeigen sich auch in den Fallzahlen von Polizei und Justiz: Nach Angaben des bayerischen Justizministeriums ist die Zahl der Strafverfahren wegen Zwangsprostitution, Menschenhandel und Zuhälterei in den vergangenen beiden Jahren förmlich explodiert. Allein die Staatsanwaltschaft München I nahm in diesem Jahr schon mehr als 200 Ermittlungsverfahren wegen verbotener Prostitution auf. Im vergangenen Jahr waren es rund 200 - fast doppelt so viele wie 2019.
Dass Prostituierte zunehmend im Verborgenen arbeiten, beobachtet der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen schon länger. »Corona hat das noch beschleunigt«, sagt die politische Sprecherin Johanna Weber. »Viele waren ja gezwungen, während des Lockdowns heimlich zu arbeiten, weil sie keine Unterstützung bekommen haben.«
Sozialer Austausch fehlt
Dabei hätten die Frauen gelernt, sich selber zu vermarkten und wollten nun die Abgaben an das Bordell sparen oder die harten Corona-Regeln in den Bordellen umgehen, sagt Weber. Allerdings fehle durch diese Vereinzelung auch der soziale Austausch mit Kolleginnen, der Rückhalt und Schutz. »Man muss alles mit sich selber ausmachen.«
Trotz der Lockerung der Corona-Maßnahmen läuft das Geschäft mit der käuflichen Liebe eher schleppend. »Nach dem Lockdown war der Zulauf gleich Null«, berichtet die Nürnberger Bordellbetreiberin. Das habe sich zwar gebessert, aber das Niveau vor der Corona-Krise sei längst nicht erreicht. »Natürlich schwingt bei den Kunden die Angst mit, sich anzustecken«, sagt sie. Aber auch die Erfassung der Kontaktdaten sei für manche eine Hemmschwelle.
»Das Geschäft ist tatsächlich schwieriger als vor Corona«, sagt Weber. »Das liegt auch daran, dass nicht so viele Dienstreisen sind und die Gäste aus dem Ausland fehlen.« In vielen Branchen hat die Pandemie zu einer Verlagerung ins Internet geführt - bei der Sexarbeit sieht Weber dafür keine Gefahr. »Das wird immer noch real stattfinden.« (dpa)