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Interviews: Polizist rechtfertigt tödliche Polizeischüsse

Seit Ende 2023 läuft in Dortmund ein Prozess gegen Polizisten, die an einem Einsatz beteiligt waren, bei dem ein junger Flüchtling erschossen wurde. Nun spricht der Schütze in mehreren Interviews.

Prozess um tödlichen Polizeieinsatz: Schütze gibt Interview
Ein wegen Totschlags angeklagter Polizist hat während des laufenden Verfahrens in einem Interview seine Sicht der Dinge dargestellt (Archivbild). Foto: Rolf Vennenbernd/DPA
Ein wegen Totschlags angeklagter Polizist hat während des laufenden Verfahrens in einem Interview seine Sicht der Dinge dargestellt (Archivbild).
Foto: Rolf Vennenbernd/DPA

Ein wegen tödlicher Schüsse auf einen Flüchtling in Dortmund angeklagter Polizist wirbt in mehreren Interviews um Verständnis für sein Handeln. »Scheiße, dass es so gekommen ist«, sagte der 30-Jährige dem »Spiegel«. Er sei aber davon überzeugt, dass er in der Situation nicht anders habe handeln können. 

»Ich will mir nicht vorstellen, dass ein Kollege verletzt oder getötet worden wäre, der sich darauf verlässt, dass ich ihn absichere. Das hätte ich mir niemals verziehen«, so der Angeklagte weiter. Auch der »WDR« und die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« haben am Donnerstag ähnlich lautende Aussagen aus einem Gespräch mit dem Polizisten veröffentlicht. 

Mehrere Schüsse aus einer Maschinenpistole

Seit Ende Dezember steht der suspendierte Polizist wegen des Verdachts des Totschlags vor dem Landgericht Dortmund. Er soll vor knapp zwei Jahren im Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung mehrere Schüsse aus einer Maschinenpistole auf den 16-jährigen Flüchtling Mouhamed Dramé abgefeuert haben. Er war kurz nach dem Einsatz im Krankenhaus gestorben.

Die Polizei war zu einer Jugendhilfeeinrichtung gerufen worden, weil der Minderjährige regungslos mit einem Messer auf sich selbst gerichtet im dortigen Innenhof gehockt und nicht auf Ansprache reagiert hatte. 

Staatsanwaltschaft hält Vorgehen der Polizei für unverhältnismäßig

Auf der Anklagebank sitzen auch zwei Polizistinnen und ein weiterer Polizist wegen Körperverletzung, sowie der Einsatzleiter wegen Anstiftung zu dieser. Eine Polizistin hatte zunächst versucht, den Jugendlichen mit Pfefferspray zu entwaffnen. Als er sich dann auf die Polizisten zubewegte, versuchten sie ihn - wie zuvor mit ihrem Vorgesetzten abgesprochen - mit einem Taser zu stoppen, bevor die Schüsse fielen. 

Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer Anklage das gesamte Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig kritisiert. Schon mit dem Einsatz des Pfeffersprays und der Taser sei nicht das mildeste Mittel gewählt worden, in Besitz des Messers zu gelangen. Eine Notwehrsituation, die die letztlich fatale Intervention hätte rechtfertigen können, sahen die Ermittler nicht.

Im Gerichtssaal und in Interviews: Polizist bedauert, aber bereut nicht

In einer Aussage vor Gericht hatte der Schütze Ende Mai sein Bedauern ausgedrückt und der Familie des Opfers sein Mitgefühl ausgesprochen. Er gab an, die Schüsse seien gefallen, weil der 16-jährige Senegalese nach dem Einsatz von Pfefferspray in hohem Tempo mit einem Messer in der Hand auf die Polizisten zugelaufen sei. Für einen Warnschuss sei keine Zeit gewesen. 

»Es tut mir leid, aber ich bereue es nicht, dass ich so gehandelt habe. Weil, wie gesagt, die Alternative wäre möglicherweise schlimmer gewesen. Und meine Aufgabe war es, die Kollegen zu schützen«, erklärte er nun dem WDR. »Ich habe so gehandelt, wie ich es gelernt habe«, zitiert ihn die WAZ. Niemand wünsche sich, schießen zu müssen. 

»Das Leben ist kein Film«, sagt der Angeklagte

In dem »Spiegel«-Interview sagte der 30-Jährige, er habe die Schussverletzungen zunächst nicht für lebensgefährlich gehalten. Deshalb sei der 16-Jährige anschließend noch fixiert worden. »Auch wenn das hart klingen mag: Weil jemand angeschossen wurde, heißt das nicht, dass er handlungsunfähig ist«, so der Polizist. »Das Leben ist kein Film, bei dem ein Mensch von einer Kugel getroffen wird und sofort reglos liegen bleibt.« 

Später habe er erfahren, dass der 16-Jährige im Krankenhaus gestorben sei. »Das war unwirklich, man sitzt da und kann das gar nicht glauben.« 

»Es hieß, ich sei ein Mörder«

Am Tag nach den Schüssen habe es vor der Polizeiwache eine Demonstration gegeben. »Es hieß, ich sei ein Mörder und ein Rassist. Das tat weh.« Er könne nicht abschätzen, ob er persönlich als Feindbild gesehen werde oder ob damit eher die Institution Polizei gemeint sei. »Bei mir überschnitten sich dabei die Gefühle: Mir tat es weh, gleichzeitig wurde ich zornig. Nichts war bekannt - und schon wurde es politisch ausgeschlachtet. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Mensch gestorben war, fand ich das sehr schwierig.«

 

© dpa-infocom, dpa:240704-930-163420/2