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Großbritannien hat die meisten Corona-Toten in Europa

Obwohl Großbritannien den Höhepunkt der Pandemie angeblich überschritten hat, bleibt die Zahl der Todesfälle hoch. Die Regierung versucht verzweifelt, sich gegen die wachsende Kritik zu stemmen.

Coronavirus - Großbritannien
Eine Mitarbeiterin im Nightingale-Krankenhaus Nord-West in Manchester. Nach offiziellen Statistiken sind in Großbritannien inzwischen mehr mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben als in irgendeinem anderem Land Europas. Foto: Jon Super/AP/dpa
Eine Mitarbeiterin im Nightingale-Krankenhaus Nord-West in Manchester. Nach offiziellen Statistiken sind in Großbritannien inzwischen mehr mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben als in irgendeinem anderem Land Europas. Foto: Jon Super/AP/dpa

LONDON. In Großbritannien sind nach offiziellen Statistiken inzwischen mehr mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben als in irgendeinem anderem Land Europas.

In England und Wales sind bis 24. April fast 30.000 Menschen nach einer Coronavirus-Infektion gestorben, wie die Statistikbehörde ONS (Office for National Statistics) mitteilte. Unter Berücksichtigung von Schottland und Nordirland sind es demnach über 32.000 Tote.

Fälle aus den vergangenen Tagen sind noch nicht in die Statistiken eingeflossen. Es wird auch mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet.

Bislang hatte Italien die meisten Toten während der Pandemie registriert. Von dort waren bis Montag etwas über 29.079 Opfer gemeldet worden. In Italien entspannt sich die Lage aber wieder. Auch hier soll die Zahl der tatsächlichen Opfer viel höher liegen.

Experten warnen allerdings zum Teil vor dem direkten Vergleich dieser Zahlen zwischen Ländern. Zu unterschiedlich seien die Methoden bei der Erhebung, Bevölkerungszahl, Altersstruktur und andere Faktoren. Doch Großbritannien galt eigentlich als Land, in dem die Pandemie erst relativ spät Fuß fasste. Ob die Zeit sinnvoll genutzt wurde, steht nun im Zentrum einer erbittert geführten Debatte.

Die Regierung von Premier Boris Johnson wird wegen ihres Umgangs mit der Krise stark kritisiert. Bei einer Umfrage gaben kürzlich zwei Drittel der Befragten an, die Regierung habe ihrer Meinung nach mit der Einführung von Kontaktbeschränkungen zu lange gewartet.

Viele Briten werfen Johnson vor, zu spät auf den Corona-Ausbruch reagiert zu haben. Zudem mangelt es unter anderem an Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten, Ärzten und Pflegern. Der staatliche Gesundheitsdienst National Health Service gilt als marode. Inzwischen erhöhte die Regierung die Kapazitäten, auch bei den Tests.

Johnson verteidigte hingegen das Vorgehen. »Wir haben das Richtige zur richtigen Zeit getan«, sagte der konservative Politiker. Das Land habe den Höhepunkt der Pandemie inzwischen überschritten. Die Zahl der Neuinfektionen und der Todesopfer würde langsam zurückgehen.

Nach dem Vorbild Südkoreas will Großbritannien nun mit umfangreichen Tests und der Nachverfolgung von Infektionsketten die Pandemie unter Kontrolle bringen. Das Motto zur Bekämpfung des Erregers lautet »test, track and trace« - etwa: testen, verfolgen und aufspüren.

Eine Lockerung der Restriktionen in Großbritannien ist noch nicht abzusehen. Einen Plan für das weitere Vorgehen legt Johnson voraussichtlich am kommenden Sonntag vor. Erwartet wird, dass die Rückkehr zum Alltagsgeschäft nur in kleinen Schritten und über einen längeren Zeitraum erfolgt.

Am 23. März hatte der Regierungschef die Schließung von Läden beschlossen und die Briten angewiesen, zu Hause zu bleiben. Ausnahmen gibt es nur für Sport, Einkäufe für den täglichen Bedarf und Arztbesuche. Wo es möglich ist, muss zu Hause gearbeitet werden.

Der 55-Jährige hatte selbst wegen einer Infektion mit dem Coronavirus eine Woche in dem Londoner St.-Thomas-Hospital verbracht. Drei Tage lang musste er auf der Intensivstation behandelt werden. »Ich hatte noch nie etwas so Ernstes wie das hier«, sagte Johnson mit Blick auf seine Lungenkrankheit. »Liter um Liter« sei ihm Sauerstoff zugeführt worden, bevor sich sein Zustand wieder besserte. Sogar Vorbereitungen für seinen Tod seien schon getroffen worden, berichtete der Premier. (dpa)