BERLIN. Die Nachverfolgung der Corona-Infektionen ist für die Gesundheitsämter nach eigenen Angaben derzeit beherrschbar. »Im Moment ist die Lage vergleichsweise entspannt«, sagte Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag.
Auch der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) bescheinigt den Behörden aktuell ein gutes Management bei der Verfolgung von Kontaktpersonen. »Die Gesundheitsämter ermitteln zuverlässig und zeitnah und veranlassen die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Erkrankung«, sagte die Verbandsvorsitzende Ute Teichert der dpa.
Um die Corona-Krise kontrollieren zu können, müssen Gesundheitsämter nachvollziehen können, wo sich jemand angesteckt hat. Nur so können alle Menschen, die sich womöglich mit Sars-CoV-2 infiziert haben, in Quarantäne kommen und die Verbreitung des Virus eingedämmt werden. »Es muss unser Ziel sein, jede Infektionskette verfolgen zu können«, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im April.
Der Deutsche Landkreistag hat keine Daten dazu, in wie vielen Fällen die Gesundheitsämter Kontaktpersonen ermitteln beziehungsweise nicht ermitteln können. Die Zahl der Infektionen sinkt aber derzeit. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge wurden in den vergangenen Tagen rund 300 bis 600 neue Corona-Fälle pro Tag gemeldet. Zum Vergleich: An einigen Tagen Anfang April waren es noch rund 6000 Neuinfizierte täglich. Insgesamt gibt es derzeit etwa 16.500 aktive Fälle.
Durch die Lockerungen der Corona-Beschränkungen könnte sich die Zahl der Menschen, mit denen ein Erkrankter in Kontakt gekommen ist, Teichert zufolge jetzt wieder erhöhen. Auch Mempel sagte: »Wir bereiten uns darauf vor, dass die Infektionszahlen punktuell oder bei einer zweiten Welle gegebenenfalls auch in der Fläche deutlich zunehmen. Dann wird die Nachverfolgung wieder eine große Herausforderung.«
Wichtig sei ihm zufolge, dass die Gesundheitsämter dann innerhalb weniger Tage Personal bekämen - etwa durch Mitarbeiter der Kreisverwaltungen, die in Bereitschaft stehen. Der BVÖGD bescheinigt den Gesundheitsämtern Personalmangel - und das schon vor der Corona-Pandemie. Teichert warnte: »Wenn die Infektionszahlen flächendeckend wieder ansteigen, sind die Gesundheitsämter mit der aktuellen Personalausstattung nicht in der Lage die Kontaktpersonennachverfolgung konsequent durchzuführen.«
Die Behörden liefen seit Wochen an der Belastungsgrenze. »Die Hilfestellung aus anderen Bereichen hat geholfen, kann aber die unzureichende Anzahl des fachlich ausgebildeten Fachpersonals nicht wirklich kompensieren.« Bund und Länder hatten im April vereinbart, den öffentlichen Gesundheitsdiensten zusätzliche Personalkapazitäten zu schaffen, mindestens ein Team von 5 Personen pro 20.000 Einwohner.
Teichert zufolge bräuchten die Gesundheitsämter mehr Fachärzte für das öffentliche Gesundheitswesen sowie mehr Fachkräfte im Infektionsschutz. Sie fordert ein Konjunkturprogramm für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Ihr Verband sieht auch jetzt in Zeiten niedriger Infektionszahlen noch Verbesserungsbedarf bei der Nachverfolgung. »Insbesondere in Ballungszentren sehen wir Infektionen, ohne dass der Ursprung geklärt werden kann.«
Eine große Rolle bei der Verbreitung des Virus spielen Teichert und Mempel zufolge Menschen, die sich mit dem Virus angesteckt haben, ohne es zu merken. Nach Ansicht der BVÖGD-Verbandsvorsitzenden führe das besonders in engen Ballungsräumen zu Übertragungen.
»Deshalb ist auch eine Tracing-App wichtig, um Infektionsketten bereits im Frühstadium oder bei symptomlosen Verläufen frühzeitig zu durchbrechen«, betonte Mempel. Eine von der Bundesregierung geplante Corona-Warn-App soll anonymisiert erfassen, welche Smartphones einander nahegekommen sind - und Nutzer warnen, wenn sie sich neben infizierten Personen aufgehalten haben. Mithilfe der App können die Infektionszahlen Mempel zufolge auch in Zeiten der Corona-Lockerungen im Griff behalten werden.
Der Deutsche Landkreistag sieht in dem Programm zudem eine Unterstützung der Behörden. »Die App sollte auch zur Arbeitserleichterung in den Gesundheitsämtern beitragen«. (dpa)