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Experten fürchten mehr Radunfälle in der Corona-Krise

Radfahren liegt im Trend. Doch die Zunahme birgt auch Gefahren. Während die Zahl der Verkehrstoten insgesamt sinkt, bleibt die der tödlich verunglückten Radfahrer weiter hoch.

Radfahrer
Ein Fahrradfahrer fährt in der Innenstadt über einen Radweg. Foto: Lennart Stock/dpa
Ein Fahrradfahrer fährt in der Innenstadt über einen Radweg. Foto: Lennart Stock/dpa

WIESBADEN. Die Beherrschung über das Elektrorad verloren oder beim Abbiegen von einem Autofahrer übersehen worden: 445 Männer und Frauen erlitten 2019 tödliche Verletzungen bei einem Unfall mit ihrem Rad.

Das sind zwar genauso viele wie 2018, aber 16,8 Prozent mehr als noch 2010, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Experten fürchten, dass die Zahl der Fahrradunfälle durch die Corona-Krise noch einmal steigen könnte.

»Meine Befürchtung ist eher, dass es noch schlimmer wird«, sagte der Leiter Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Siegfried Brockmann, der Deutschen Presse-Agentur. In der Corona-Krise hätten sich die Dinge verändert und wahrscheinlich zu Ungunsten der Radfahrer. Viele Menschen seien vom öffentlichen Nahverkehr auf das Rad umgestiegen. »Das Pedelec ist bei den Senioren das entscheidende Thema.« Die könnten durch die elektronische Unterstützung zwar wieder am Mobilitätssektor teilnehmen, doch müsse die Geschwindigkeit auch an die Kraft der Fahrer gekoppelt werden. »Wenn wir sagen, das ist ein Fahrrad, dann muss es sich auch wie ein Fahrrad verhalten.« Technische Möglichkeiten dafür gebe es.

Unter den tödlich Verletzten waren 2019 mehr als die Hälfte (53,8) 65 Jahre oder älter. Bei Elektrofahrrädern lag der Anteil noch höher - bei 72 Prozent. Unter den Getöteten fuhren 118 ein Pedelec. Solche Elektrofahrräder unterstützen Radler bis zu einer Geschwindigkeit von maximal 25 Stundenkilometern mit einem E-Motor.

Fast 87.000 Radfahrer wurden im vergangenen Jahr auf den Straßen verletzt. Die meisten tödlichen Unfälle gab es in Bayern (77), Niedersachsen (73) und Nordrhein-Westfalen (71). Am wenigsten Menschen verunglückten tödlich im Saarland (2), Bremen (3) und Hamburg (4).

»Ja, ich denke, dass es eine weitere Zunahme gibt, weil mehr Menschen auf das Rad umsteigen«, sagte auch die Sprecherin für Radverkehr vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), Anika Meenken, mit Blick auf die Corona-Krise. Mit mehr gefahrenen Fahrradkilometern würde auch die Zahl der Unfälle zunehmen. Breitere Radwege, Abbiegeassistent für den motorisierten Verkehr, unterschiedliche Ampelphasen für den Radverkehr, Tempo 30 in weiten Teilen der Städte und eine schnelle Umsetzung des neues Bußgeldkatalogs mit höheren Bußgeldern und Fahrverboten seien nötig.

»Die steigenden Zahlen von Unfalltoten unter Radfahrern sind auch der deutlichen Zunahme das Radverkehrs im Allgemeinen und der Pedelecs im Speziellen geschuldet«, sagte ADAC-Sprecherin Katrin van Randenborgh. Klar sei, dass der Investitionsbedarf bei der Radverkehrsinfrastruktur hoch ist. Aus Sicht des ADAC sei es dringend erforderlich, bei der Nachrüstung mit Abbiegeassistenten von Bestands-LKW schnell Fortschritte zu machen. »Technisch ist eine Kombination mit einem Notbremssystem sinnvoll.«

»Deutsche Städte liegen Jahrzehnte zurück beim Ausbau der Radinfrastruktur«, sagte die Expertin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, Stephanie Krone. Dies räche sich jetzt, wo der Radverkehr zunehme. »Seit Corona sehen wir einen regelrechten Fahrradboom und viele Neuaufsteiger auf dem Rad – und genau das hat sich die Bundesregierung im Rahmen des Klimapakets auch vorgenommen.« Das kräftige Wachstum des Radverkehrs sei ja politisch gewollt.

Was es jetzt brauche, sei der schnelle Ausbau der Radwege, der sichere Umbau von Kreuzungen und eine Reduzierung des Autoverkehrs in den Innenstädten, sagte Krone. Dass Autos und Laster verpflichtende Fahrassistenzsysteme brauchen, die Fußgänger und Radfahrer aktiv schützen, sei klar. »Die Gefahr geht in erster Linie von den Kraftfahrzeugen aus – und wird verstärkt durch eine fahrradunfreundliche Gestaltung der Städte.«

Bei Unfällen mit verletzten oder getöteten Radfahrern, an denen ein zweiter Verkehrsteilnehmer beteiligt war, war dies den Statistikern zufolge in 73,9 Prozent ein Auto. Bei diesen Unfällen trugen die Radfahrer nur in fast einem Viertel (23,4) der Fälle die Hauptschuld. (dpa)