Auch nach Wochen hört der Regen im Februar im hügeligen Umland des Victoriasees im Osten Ugandas nicht auf. Normalerweise regnet es dort um diese Jahreszeit nicht, doch auf Regen und Sonnenschein ist längst kein Verlass mehr. Christopher Bigambo, ein 83-jähriger Kaffeebauer aus Namawojjolo, einem kleinen Dorf 35 Kilometer östlich von Kampala, ist besorgt: »Früher wurde viel Kaffee produziert und wir haben säckeweise geerntet. Aber jetzt ist das nicht mehr möglich.« Auch andere Bauern in der Region berichten über massive Ernteeinbußen in der vergangenen Saison.
Der ugandischen Regierung sind die schwindenden Erträge ein Dorn im Auge. Denn eigentlich will diese bis 2030 die nationale Kaffeeproduktion auf 20 Millionen Säcke pro Jahr steigern - und Äthiopien als größten Kaffeeproduzenten Afrikas ablösen.
Wissenschaftler betrachten Pläne mit Skepsis
Die Wissenschaft sieht die ugandischen Pläne allerdings skeptisch, denn hinter den Ernteeinbußen steckt ein langfristiges Problem. »Wir beobachten, dass durch den Klimawandel in fast allen Anbauregionen der Welt der Druck auf die Kaffeebauern steigt«, sagt Roman Grüter, Biowissenschaftler an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. In Deutschland macht sich das längst beim Preis bemerkbar. Im vergangenen Jahr warnte das europäische Statistikamt Eurostat, Kaffee könne zum Luxusgut werden. Schuld daran waren neben der allgemeinen Inflation vor allem massive Ernteausfälle - bedingt durch Klimaextreme.
In Brasilien sind diese keineswegs neu. »Wir können einige sehr wichtige klimatische Unfälle nennen, die wir in den vergangenen Jahren hatten«, sagt Márcio Ferreira, Präsident der Kaffee-Exporteure Brasiliens. Eine große Trockenheit im Bundesstaat Espírito Santo, dem größten Produzenten von Robusta-Kaffee in Brasilien, habe bereits von 2014 bis 2016 dazu geführt, dass die Ernte in dem südamerikanischen Land von 13 Millionen auf 8,35 Millionen Säcke gefallen sei.
Aus wissenschaftlicher Sicht sind solche Ereignisse wenig überraschend. In einer Studie hat Grüter mit seinem Forschungsteam herausgefunden, dass Kaffee weit mehr als andere Exportfrüchte wie Avocados oder Cashewnüsse unter dem Klimawandel leidet. »Insbesondere die Arabica-Bohne reagiert sehr empfindlich gegenüber höheren Temperaturen«, so Grüter. Die Kaffeepflanzen lieben das feuchtwarme Klima der Tropen, stellen aber höchste Ansprüche an ihre Umgebung. Ähnlich wie bei Weinreben machen sich veränderte Bodenbedingungen und Temperaturen unmittelbar in Geschmack und Qualität bemerkbar. Langfristig bescheren die steigenden Temperaturen zudem ein regelrechtes Paradies für Schädlinge wie dem Kaffeekirschenkäfer oder Pflanzenkrankheiten - selbst in Höhenlagen, die bislang eigentlich als sicher galten.
Kaffeebauer müssen sich auf Extremwetterereignisse einstellen
Daneben müssen sich die Kaffeebauern rund um den Globus auf kurzfristige Extremwetterereignisse wie Dürren, Stürme und Überschwemmungen einstellen. Honduras, laut dem Statistischen Bundesamt nach Brasilien und Vietnam der drittgrößte Kaffeelieferant für Deutschland, ist bereits von zwei Auswirkungen des Klimawandels betroffen. »Die Kaffeeproduktion in Honduras geht seit fünf Jahren zurück«, sagte Napoleón Matute, Experte am honduranischen Kaffee-Institut. Das mittelamerikanische Land zwischen Karibik und Pazifik wird immer wieder von Hurrikanen getroffen. Durch den Klimawandel kommt es laut Experten zwar nicht unbedingt häufiger zu Tropenstürmen, wahrscheinlich aber zu stärkeren. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Dürren im Land zu.
Ausweichoptionen und neue Anbauregionen für die Bauern gibt es wenig. Laut Grüter dürften zwar beispielsweise Äthiopien und der Südwesten Kenias neue potenzielle Anbauflächen hinzugewinnen; dennoch ist das keine Nachricht, die optimistisch stimmen sollte, findet Christoph Gornott, Leiter des Fachgebiets Agrarökosystemanalyse an der Universität Kassel sowie am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: »Die Verschiebung der Produktion etwa in höhere Lagen ist fast unmöglich.« Selbst wenn dort dann geeignete Temperaturen für den Kaffeeanbau herrschten, könnten die Bodenbedingungen die Qualität des Kaffees mindern. Die beste Qualität erreichen die Bohnen in leicht saurem, nährstoffreichem Boden. Hinzu komme noch fehlendes Know-how und mangelnde Infrastruktur in den neuen Regionen, so Gornott.
Klimawandel hat Einfluss auf gesamte Wertschöpfungskette
Doch nicht nur beim Anbau werden die Bauern durch den Klimawandel vor neue Herausforderungen gestellt, die gesamte Wertschöpfungskette gerate ins Wanken, sagt Gornott: »In Afrika ist auf die üblichen Trockenzeiten kein Verlass mehr und immer häufiger werden Teile der Kaffee-Ernte durch Schimmelbefall bei der Trocknung zerstört.«
Ein weiteres Problem besonders in Honduras ist die klimabedingte Migration, die dort zu einem Arbeitskräftemangel auf den Kaffeefarmen führt, sagt Kaffee-Experte Matute. Plantagen würden vermehrt aufgegeben. Die Menschen wandern etwa nach Tropenstürmen oder Überschwemmungen aus, die große Zerstörungen anrichten. In Honduras gibt es etwa 100.000 Kaffeeproduzenten, zumeist Kleinbauern.
Doch auch große Kaffeekonzerne dürften künftig vor Problemen stehen, so Gornott. Denn diese mischen verschiedene Kaffeesorten, um einen gleichbleibenden Geschmack mit Wiedererkennungswert zu erreichen. Durch den Klimawandel werde es in Zukunft immer schwerer die gleiche Qualität und Menge zu erreichen. Daher müsse es schon jetzt Anpassungsmaßnahmen geben.
Brasilien habe aus der schweren Dürre vor knapp zehn Jahren gelernt, sagt Márcio Ferreira von den brasilianischen Kaffee-Exporteuren: »Die ganze Kaffeeproduktion musste sich neu erfinden«. Die Produzenten hätten lernen müssen, Wasser besser zu sammeln. Zudem seien Anbauflächen in den vergangenen Jahrzehnten reduziert und die Produktivität erhöht worden.
Gornott sieht außerdem großes Potenzial für den Anbau in Mischkulturen. Höhere Pflanzen spenden dabei dem Kaffee Schatten, schützen den Boden vor Erosion nach Starkregenfällen und steigern den Kohlenstoff- und Nährstoffgehalt im Boden. Auch gegen die steigenden Temperaturen hilft dieser Stockwerkanbau - allerdings nur bis zu einem Grad. »Mit den aktuellen Prognosen steuern wir auf eine Erwärmung um drei Grad zu. In dem Temperaturbereich kommen wir an die Grenzen, die durch Anpassungsmaßnahmen aufgefangen werden können«, warnt Gornott.
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