BERLIN. Im Zuge der immer stärkeren Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland innerhalb eines Monats etwa vervierfacht.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) liegt sie bei 20,4 - nach 19,4 am Vortag und 4,9 beim jüngsten Tiefststand am 6. Juli. Während es Anfang Juli noch vom RKI hieß, dass mindestens die Hälfte der Neuinfektionen auf Delta zurückgehe, sind es nun fast alle (97 Prozent). Trotz steigender Impfquote steigt die Sieben-Tage-Inzidenz laut RKI derzeit schneller und früher als im Sommer 2020 wieder an.
Gesundheitsämter könnten nicht mehr alle Infektionsketten nachvollziehen, hieß es. Gleichwohl liegen die Zahlen zu Krankenhauspatienten und Behandlungen auf Intensivstationen weiter auf einem »niedrigen Niveau«. Die Inzidenz war in der Pandemie bisher Grundlage für viele Einschränkungen, etwa im Rahmen der Ende Juni ausgelaufenen Bundesnotbremse. Künftig sollen daneben nun weitere Werte wie Krankenhauseinweisungen stärker berücksichtigt werden.
Infektion trifft Jüngere
Der bisherige Anstieg der Inzidenz spielt sich vor allem bei der seltener von schweren Verläufen betroffenen Altersgruppen der 10- bis 34-Jährigen ab. Das RKI sieht eine solche Tendenz aber inzwischen auch in den Altersgruppen bis 49. Während die höchsten Werte von knapp 50 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche bei den 20- bis 24-Jährigen verzeichnet werden, sind sie bei den Menschen ab 55 Jahren noch einstellig - teils zeigen sich aber auch in diesen Gruppen inzwischen leichte Anstiege. Die Impfquoten bei den Menschen über 60 sind in Deutschland höher als bei den Jüngeren.
»Der aktuelle Anstieg ist sicherlich auf die höhere Infektiosität der Delta-Variante zurückzuführen«, erklärte der Epidemiologe Rafael Mikolajczyk von der Universität Halle-Wittenberg auf dpa-Anfrage. Mit dem Schulbeginn rechne er damit, dass sich der Trend fortsetzt. Die möglichen Auswirkungen seien derzeit schwer abzusehen. »Auch wenn jetzt viele ältere Menschen geimpft sind, gibt es immer noch Millionen, die es nicht sind.«
Der Wissenschaftler betonte, dass das Risiko von Langzeitfolgen (Long Covid) noch nicht eindeutig geklärt sei. Bei sehr hohen Infektionszahlen könne dies auch nach milden Verläufen zu einer großen Krankheitslast führen, ohne dass es sich wie bei der akuten Erkrankung in Krankenhausaufnahmen niederschlage. Es sei insofern eine gesellschaftliche Entscheidung, ob nur die Belastung der Intensivstationen einen Notstand darstellen könne.
»Durchimpfung sollte Ziel sein«
Angesichts der langen Anstrengungen bei der Pandemiebekämpfung scheine es nicht geboten, nun aufzugeben, erklärte Mikolajczyk: »Weitere Durchimpfung der Bevölkerung sollte immer noch das zentrale Ziel sein« - und bis dahin eine Kontrolle der Verbreitung, mit einem R-Wert kleiner als 1. Durch verbesserte Teststrategien und Kontakteinschränkungen sei es weiterhin möglich.
Der Großteil der seit Februar erfassten Corona-Fälle war laut RKI nicht geimpft. Es werde »dringend empfohlen, jetzt die Angebote für die Impfung gegen Covid-19 wahrzunehmen«, wird im Bericht appelliert. Die geschätzte Impfeffektivität gibt das RKI mit circa 88 Prozent für die Menschen zwischen 18 und 59 Jahren an und mit circa 87 Prozent für die Gruppe ab 60. (dpa)
© dpa-infocom, dpa:210806-99-735099/7