BERLIN. Binnen einer Woche hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen in Deutschland um rund ein Drittel auf nun 30,1 erhöht.
Am zweiten Tag in Folge meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) deutlich mehr als 5000 Neuinfektionen. Am Freitag waren es laut RKI-Dashboard (Stand 03.59 Uhr) 5578, nach 5638 am Vortag, die höchsten Tageswerte seit Ende Mai. Das Niveau von Ende voriger Woche lag bei etwa 3500. Um eine stärkere Corona-Ausbreitung zu verhindern, sind laut RKI Labortests auch bei Kindern und Geimpften mit leichten Symptomen wichtig. Die Zahl der erfassten wöchentlichen PCR-Tests entwickelte sich zuletzt rückläufig.
Die Inzidenz war in der Pandemie bisher Grundlage für viele Corona-Einschränkungen, etwa im Rahmen der Ende Juni ausgelaufenen Bundesnotbremse. Künftig sollen daneben nun weitere Werte wie Krankenhauseinweisungen stärker berücksichtigt werden. Im RKI-Wochenbericht von Donnerstagabend heißt es, diese Werte befänden sich derzeit auf niedrigem Niveau. Das dürfte auch daran liegen, dass zuletzt vor allem Menschen unter 50 Jahren positive Testergebnisse erhielten. Laut einer Modellierung, die diese Woche erschienen ist, bleibt die Inzidenz trotz der Impfungen ein wichtiger Frühwarnwert zur Einschätzung der anstehenden Belegung von Intensivbetten, es könnten demnach aber höhere Inzidenzen als bisher toleriert werden.
»Wir hatten zuletzt täglich Zuwächse, die dem R-Wert über 1 geschuldet sind«, erklärte der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen am Freitag auf Anfrage. Der sogenannte R-Wert (Reproduktionszahl) gibt an, wie viele andere Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. »Die Schwankungen sind aus meiner Sicht nicht auf einzelne Altersgruppen allein rückführbar, aber in der nächsten Zeit wird mit Schulbeginn und Alltag insgesamt die Kontakthäufigkeit wieder ansteigen, was für die jetzt schon länger steigenden Zahlen nichts Gutes verheißt.«
Regional sind derzeit sehr deutliche Unterschiede zu beobachten. Während die Stadtstaaten Hamburg und Berlin bereits auf Sieben-Tage-Inzidenzen von 68,8 und 50,3 kommen, liegen die Werte in Thüringen und Sachsen-Anhalt noch unter 10.
Auf Ebene der Stadt- und Landkreise stehen zwei Städte in Schleswig-Holstein an der Spitze der RKI-Negativliste: Kiel mit 107,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche vor Flensburg mit 90,9. Als Gründe nannte der Infektionsmediziner Helmut Fickenscher vom Universitätsklinikum in Kiel bereits vor einigen Tagen die Rückkehr vieler Menschen aus dem Urlaub und den mit zahlreichen Tests verbundenen frühen Beginn des neuen Schuljahres. »Das kann aber nicht alles erklären.« Das Virus verbreite sich an einigen Orten eifrig in der Bevölkerung. Offenkundig hielten einige Altersgruppen eher wenig von Schutzmaßnahmen. Erste Priorität müsse sein, das Impfen möglichst intensiv voranzutreiben, betonte der Mediziner.
Die Effektivität der Impfung zum Schutz vor Erkrankung mit - meist milden - Symptomen schätzt das RKI für den Zeitraum 1. Februar bis 8. August 2021 auf 87 Prozent.
Nach RKI-Daten ist bundesweit mittlerweile fast nur noch die Delta-Variante im Spiel - die zuerst in Indien entdeckte, deutlich ansteckendere Mutante. Die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter gilt bereits als erschwert. Amtsärzte erklärten das auch mit der relativ kurzen Dauer von Kontakten, die bei Delta für eine Ansteckung ausreichen können, etwa Begegnungen im Vorbeigehen.
Deutschlandweit wurde nach RKI-Angaben binnen 24 Stunden 19 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 24 gewesen. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.810.641 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.675.800 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 91.853. (dpa)