Die Bundeswehr hat damit begonnen, auf der überfluteten Bundesstraße 265 bei Erftstadt in Nordrhein-Westfalen Fahrzeuge zu bergen. Menschen seien in den Autos und Lastwagen bisher nicht entdeckt worden, teilte die Feuerwehr der Stadt Erftstadt mit.
Auf der B265 waren zahlreiche Fahrzeuge überspült worden. Eine Sprecherin des Rhein-Erft-Kreises hatte am Freitag gesagt, es sei unklar, ob es alle Insassen rechtzeitig aus ihren Fahrzeugen geschafft hätten, als sie von den Wassermassen überrascht wurden. Bei der Bergung setzt die Bundeswehr nun auch Radpanzer ein.
An einigen Orten der verheerenden Flut geht das Wasser inzwischen langsam zurück - aber die Zahl der Toten steigt und steigt. Am Samstagmorgen wurden allein aus dem Hochwasser-Hotspot Ahrweiler in Rheinland-Pfalz mehr als 90 Tote gemeldet. Es sei zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukämen, teilte die Polizei mit. Die Behörde spricht von 618 Verletzten - auch diese Zahl könne sich aber erhöhen. Auch zwei Tage nach dem Unglück werden noch Menschen vermisst.
Bislang mehr als 130 Todesopfer gefunden
Mit den jüngsten Zahlen aus Rheinland-Pfalz steigt die Gesamtzahl der Todesopfer bei der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands auf mehr als 130. Aus dem ebenfalls schwer getroffenen Nordrhein-Westfalen waren zuletzt 43 Tote gemeldet worden.
Unter den Toten in Rheinland-Pfalz sind auch zwölf Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung in Sinzig. »Das Wasser drang innerhalb einer Minute bis an die Decke des Erdgeschosses«, sagte der Geschäftsführer des Landesverbands der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz, Matthias Mandos. Die Nachtwache habe es noch geschafft, mehrere Bewohner in den ersten Stock des Wohnheims zu bringen. »Als er die nächsten holen wollte, kam er schon zu spät.«
Damm der Rur im Kreis Heinsberg gebrochen
Angespannt ist die Hochwasserlage nach wie vor im nordrhein-westfälischen Wassenberg im Kreis Heinsberg. Nach dem Bruch eines Damms der Rur steht der Stadtteil Ophoven teilweis unter Wasser. Etwa 700 Bewohnerinnen und Bewohner von Ophoven an der Grenze zu den Niederlanden hatten in der Nacht ihre Häuser verlassen müssen. Wer nicht in der Lage sei, seine Wohnung selbstständig zu verlassen, solle über eine Hotline um Hilfe bitten, appellierte die Stadt.
Zuletzt war von einem »stagnierenden Wasserpegel« die Rede. Dennoch sei es nach wie vor gefährlich, sich in dem Gebiet aufzuhalten, warnte ein Sprecher der Feuerwehr.
Die Rur hat ihre Quelle in der Eifel und mündet bei Roermond in den Niederlanden in die Maas. Laut WDR sieht Wassenbergs Bürgermeister Marcel Maurer (CDU) einen möglichen Grund für den Dammbruch auf niederländischer Seite: Dort seien Schleusenklappen geschlossen worden, so dass es zum Rückstau der Wassermassen gekommen sei.
In Rheinland-Pfalz hat sich die Hochwassergefahr laut Frühwarnprognose des Landesamts für Umwelt Rheinland-Pfalz zuletzt verringert. In vielen Ortschaften ist aber weiterhin das Strom- und Telefonnetz ausgefallen. In der Nacht war die Polizei nach Angaben des Präsidiums mit vielen Einsatzkräften in den betroffenen Ortslagen im Einsatz.
Durch das Unwetter sind viele Straßen im Ahrtal weiterhin gesperrt oder nicht mehr befahrbar. Der Zugverkehr ist in Rheinland-Pfalz wegen der Überflutungen weiterhin massiv beeinträchtigt.
Steinmeier besucht Hochwasser-Hotspot in NRW
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag einen Besuch in der schwer verwüsteten Region in Rheinland-Pfalz plant, ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Samstag im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen. Nach Angaben des Bundespräsidialamtes besucht Steinmeier zusammen mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet den Corona-Hotspot Erftstadt. Er will sich in der Feuerwehrleitzentrale ein Bild von der aktuellen Lage machen und mit Rettungskräften sprechen.
Ministerpräsident Laschet hatte zuletzt von einer »Flut-Katastrophe von historischem Ausmaß« gesprochen. Seine Amtskollegin aus Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), nannte die Lage »weiterhin extrem angespannt in unserem Bundesland«. Sie fügte in Trier hinzu: »Das Leid nimmt auch gar kein Ende.« (dpa)