BERLIN. Mehrere Monate nach #allesdichtmachen haben die Schauspieler Volker Bruch und Wotan Wilke Möhring mit einer neuen umstrittenen Aktion Aufsehen erregt. Am Donnerstag wurden unter dem Schlagwort #allesaufdentisch mehrere Interviewclips von ihnen und anderen Menschen online gestellt. Darin werden unter anderem die Corona-Maßnahmen und die mediale Berichterstattung darüber kritisiert. In den Clips sprechen Bruch, Möhring und andere mit verschiedenen Gesprächspartnern - etwa aus der Wissenschaft - über medizinische und gesellschaftliche Aspekte der Pandemie. Die meisten prominenten Namen der ersten Aktion sind diesmal nicht dabei.
Die rund 50 Videos tragen Titel wie "Kollektive Angststörung", "Masken", "Meinungsfreiheit", "Gekaufte Forschung", "Wahrheitsdefinition" und "Kindeswohl". "Mit zunehmender Sorge beobachten wir die Entwicklung des politischen Handelns in der Corona-Krise", hieß es in einem Statement, das Bruch auch bei Instagram teilte. Viele Expertinnen und Experten seien bisher in der öffentlichen Corona-Debatte nicht gehört."
Bruch - bekannt aus der Fernsehserie »Babylon Berlin« - war bereits ein prominentes Gesicht der Aktion #allesdichtmachen im April. Damals hatten mehrere Menschen aus der Filmszene mit satirischen Videos den Umgang mit dem Coronavirus kritisiert. Die Aktion löste kontroverse Reaktionen aus - manche warfen der Gruppe vor, das Coronavirus zu verharmlosen. Mehrere Teilnehmer distanzierten sich später.
Der Schauspieler wird nun auch im Impressum zur Internetseite von #allesaufdentisch genannt. Teil der Aktion ist eine Petition, die einen »Runden Tisch« für das Corona-Krisenmanagement fordert. Die Internetseite war mittags zwischenzeitlich nicht erreichbar, die Videos wurden auch auf der Plattform YouTube veröffentlicht.
Nach Ansicht eines Experten für Verschwörungsideologien befeuert die Aktion ein »schädliches Narrativ«. Über die Schauspieler und Künstler verbreiteten sich wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die Pandemie-Leugner-Szene hinaus, diese würden als Mehrheitspositionen dargestellt, sagte Politikwissenschaftler Josef Holnburger. »Durch einen wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet.«
Solche Debatten würden aber auf Konferenzen und in Studien geführt - zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sagte Holnburger. Zudem ließen sie sich selten nur durch zwei Personen darstellen. »Mit der Aktion zieht man den Diskurs aus der Forschung heraus.« Es entstehe ein Ungleichgewicht (»false balance«) der wissenschaftlichen Standpunkte, so der Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das unter anderem Desinformation in sozialen Medien beobachtet. »Man holt sich Vertreter und Vertreterinnen einer wissenschaftlichen Minderheitenmeinung und setzt ihnen Gesprächspartner aus Kunst, Kultur und Schauspiel gegenüber statt anderer Forschender.«
In den Videos kommen einige Menschen zu Wort, die Experten auf ihrem Gebiet sind, darunter der Medizinstatistiker Gerd Antes oder der Virologe Klaus Stöhr. Ihre Stimmen wurden in der Pandemie regelmäßig in großen Medien gehört. Mehrere der Gesprächspartner sind jedoch bereits durch Äußerungen aufgefallen, die die Gefahr durch das Coronavirus verharmlosen. (dpa)