REUTLINGEN. Die kalabrische Ndrangheta investiert nach den Aussage des Mafia-Experten Sandro Mattioli in der Region Reutlingen. Die Mafiosi »ziehen hier zwar nicht plündernd und mordend durch die Lande« so Mattioli, aber sie waschen in Baden-Württemberg das Geld, dass sie mit kriminellen Geschäften verdient haben. In Italien können Gelder und Güter, die im Verdacht stehen, mit kriminellen Geschäften verdient worden zu sein, eingezogen werden. Es gilt dann die Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass der Eigentümer, wenn er seinen Besitz zurückhaben will, beweisen muss, dass er ihn ehrlich erworben hat. Der GEA befragte die Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis, ob sie eine solche Beweislastumkehr auch in Deutschland befürworten.
Michael Donth (CDU)
Michael Donth (CDU) hält dies für juristich schwierig: »Eine Beweislastumkehr wie in Italien ist nur schwer mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen umzusetzen. Er führt aus: «Die Umsetzung – wie in Berlin gegen die dortige Clankriminalität - sei kompliziert. Beim Verdacht auf schwerwiegende Straftaten könnten Vermögen unklarer Herkunft auch heute schon erleichtert eingezogen werden, ohne dass eine konkrete Straftat ermittelt wurde. Donth zeigt sich besorgt über die Aktivitäten der Ndrangheta in der Region und fordert ein »deutlich organisierteres und nachdrücklicheres« Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen deren Verbrechen.
Beate Müller-Gemmeke (Grüne)
Beate Müller-Gemmeke (Grüne) sieht »seit Jahren dringenden Handlungsbedarf bei der schnellen und schlagkräftigen Bekämpfung schwerer Finanzkriminalität.« Die Grüne ist »klar für eine Beweislastumkehr«: »Wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dann muss verdächtiges Vermögen, also rechtswidrig erlangtes Geld, konsequent eingezogen werden.« Müller-Gemmeke fordert ein rechtsstaatliches Instrument zur Vermögensermittlung sowie eine verstärkte Kooperationen zwischen Bund und Ländern, gemeinsame Ermittlungsgruppen und klare Verantwortlichkeiten. Sie fügt hinzu: »Ich bin mir sicher, wenn die Beweislast zu Gunsten des Rechtsstaats verschoben wird, dann kann der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität tatsächlich erfolgreich gelingen.«
Jessica Tatti (BSW)
Jessica Tatti (BSW) betont: »Geld, Autos oder Immobilien, die mit kriminellen Geschäften erlangt werden, müssen wirksam abgeschöpft werden, auch weil damit sonst weiter kriminelle Strukturen unterstützt werden.« Dafür reichen nach Absicht der ehemaligen Linken-Politikerin jedoch die bestehenden Gesetze aus: »Bei typischen Straftaten der organisierten Kriminalität kann Vermögen unklarer Herkunft eingezogen werden, seit 2017 sogar unabhängig von einer Verurteilung – wie zuletzt bei Immobilien eines Berliner Clans.« Neue Gesetze dazu lehnt Tatti allerdings ab: »Eine weitergehende, echte Beweislastumkehr, bei der es nicht mehr um eine konkrete Straftat geht, könnte die Freiheitsrechte aller einschränken und der Massenüberwachung Tür und Tor öffnen.« Sie fügt hinzu »Was man aber dringend ändern sollte: Abgeschöpfte Werte müssen endlich vollständig an Geschädigte oder Präventions- und Opferschutzprojekte gehen«
Martin Rosemann (SPD)
Martin Rosemann (SPD) konstatiert: »Es hinterlässt kein gutes Gefühl zu wissen, dass die Mafia hier bei uns ihr Unwesen treibt.« Der Behauptung, dass die Strafverfolgungsbehörden kein Interesse daran haben Kriminelle zu verfolgen, müsse er jedoch deutlich widersprechen. Die Frage sei, wie wir der organisierten Kriminalität den Geldhahn zudrehen und die Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Arbeit noch besser unterstützen. Hier habe die Union in der Bundesregierung stets gebremst. Auch Rosemann verweist auf ein neues Gesetzesvorhaben: »Als SPD-Fraktion setzen wir uns für ein neues Gesetz ein, damit illegal erlangtes Vermögen effektiver aus dem Verkehr gezogen wird. Damit würden wir Kriminelle hart treffen.« Nun liege es am Bundesfinanzministerium endlich einen schlagkräftigen Gesetzesentwurf vorzulegen, der in der Praxis auch wirklich hilft.
Pascal Kober (FDP)
Auf ein solches neues Gesetz aus dem von seinem Parteifreund geführten Finanzministerium verweist Pascal Kober (FDP): »Als Freie Demokraten setzen wir auf effektivere Mittel zur Aufklärung intransparenter Vermögensverhältnisse. Das geplante Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz könnte hierbei entscheidende Fortschritte bringen, insbesondere in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Geldwäsche.« Der Liberale erklärt: »Der Kern des Gesetzes ist der Aufbau einer Ermittlungsbehörde, die den internationalen Geldströmen bis in die Villen und Büros der Verantwortlichen folgt.« Bundesfinanzminister Christian Lindner setze damit im Kampf gegen das organisierte Verbrechen auf weniger Zersplitterung in der Geldwäsche-Bekämpfung und mehr zentrale Zuständigkeiten. (GEA)