MÜNSTER. In der berührungsarmen Corona-Zeit ein Album mit deutschen Liebesliedern? Absicht? Götz Alsmann winkt ab: »Die Idee zu dem Album ist weit vor Corona entstanden. Ich habe im gesamten letzten Jahr Konzepte entwickelt und wieder verworfen. Und dann lief doch alles auf eine Kollektion schöner deutscher Liebeslieder aus der Schlagergeschichte zu.«
Nach der Album-Trilogie »In Paris« (2011), »Am Broadway« (2014) und »In Rom« (2017) legt der Musiker (63) aus Münster jetzt auf »L.I.E.B.E.« 18 neu interpretierte klassische deutsche Schlager vor, die er wie gewohnt mit einer großen Portion Jazz mischt. Und wie das bei Liebesliedern so ist: Es geht musikalisch fröhlich zu wie im Titelsong »Liebe«, aber auch traurig um gebrochene Herzen wie in »Sag mir nie wieder Je t'aime«.
Das genreübergreifende Musikgenie Alsmann und seine Musiker brillieren dabei mit ihrem hörbaren Spaß daran, alte Lieder neu zu interpretieren. Ob Zarah Leander oder Nat King Cole (»Love«) - Alsmann hat sich Welthits geschnappt und auf seine Art neu eingespielt. Der Vergleich macht Spaß.
Dabei heißen die Autoren der Songs Bert Kaempfert, Ilse Werner, Greetche Kauffelds oder auch Udo Jürgens. Alsmann ist als Musikprofessor in seinem Element, wenn er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur durch die Jahrzehnte streift und zu jedem Song Geschichten erzählen kann.
Aufgenommen wurde das Album in Berlin, unterstützt wurde Alsmann von Altfrid Maria Sicking (Vibraphon, Xylophon, Trompete), Ingo Senst (Kontrabass), Dominik Hahn (Schlagzeug) und Markus Paßlick (Percussion). Ungewohnt sind Klänge mit ganz großer Besetzung. »Bei den Vorgängeralben waren wir ganz auf uns selbst gestellt. Es gab keine Gastmusiker. Jetzt ist bei einigen Stücken ein Sinfonieorchester mit dabei, dirigiert von Fabrizio Ventura - eine schöne Gelegenheit, mal aus dem Vollen zu schöpfen«, sagt der Echo- und Grimme-Preisträger Alsmann im dpa-Interview.
Die Corona-Pandemie habe auf die Qualität des Albums keinen Einfluss gehabt, erzählt der Münsteraner. Nach den ersten Proben im Januar (»Da war Corona nicht mehr als eine dubiose Nachricht aus China«) musste das Team im Frühjahr pausieren. Ende Mai ging es weiter. »Anfang Juli haben wir das Album unter 'coronösen' Bedingungen aufgenommen. Aber die Umstände hatten auf das Repertoire glücklicherweise keinen Einfluss. Corona sorgt allerdings dafür, dass wir nicht auf Tournee gehen können.«
Das Album »L.I.E.B.E.« spielt mit seinen Zuhörern. Alsmann bringt ein wenig Slapstick und viel Humor in die Lieder - und auch versteckte Pathos-Kritik. In dem Stück »Was ich Dir sagen will« ertönt plötzlich ein schiefes Kinderklavier.
»Eine pianistische Laubsägearbeit, ein amtliches Kinderklavier, eine kleine unstimmbare Kiste. An der Grenze zum Witz. Aber ein schöner Witz... Ich wollte die Melancholie des Liedes beibehalten, ihm aber das Pathos nehmen. Deshalb bin ich auf die Idee gekommen, hier bewusst den Konzertflügel wegzulassen«, erklärt Alsmann. Gekauft hat er dieses Kinderklavier vor rund 15 Jahren. Bei all seiner Armseligkeit sei es ein Instrument, das geradezu perfekt manch exotischen Effekt möglich mache.
Der Klang des Xylophons zieht sich wie auch in früheren Werken durch das Album. »Das Xylophon, in seiner zirzensischen Rolle, zusammen eingesetzt mit einer Orgel, klingt immer ein bissschen nach Jahrmarkt. Zusätzlich erweckt es immer gleich den Eindruck eines umfangreicheren Orchesters. Durch diese punktuellen Einsätze wirkt eine kleine Besetzung immer groß. Alter Trick«, sagt der 63-Jährige.
Das Lied »Amigo« präsentiert Alsmann ohne Text - fast. Nur am Ende schmettert die Band gemeinsam den Songnamen. »Das Lied hat einen Text. Aber es kommt schon mal vor, dass man mit dem Text nicht so einverstanden ist wie mit der Melodie. Und das war einfach einer von diesen Texten...«. (dpa)