Kreuth/Hamburg (dpa) - Es ist eine gezielte Botschaft aus den bayerischen Bergen in den hanseatischen Norden.
»Wir müssen mit der bestmöglichen Formation in die nächste Bundestagswahl gehen. Das ist nicht nur eine Person an der Spitze, das ist eine Mannschaft, und ich möchte auch in einer Mannschaft dabei sein«, spricht Friedrich Merz auf einer Wirtschaftskonferenz am Tegernsee ins Mikrofon. »Ich bin ein Teamplayer, und deswegen ist wichtig, dass die Mannschaft stimmt und jeder an seinem Platz steht.«
Teamplayer. Mannschaft. Oder doch lieber die Nummer eins? Natürlich weiß der gegen Annegret Kramp-Karrenbauer vor gut einem Jahr im Kampf um den CDU-Vorsitz unterlegene Ex-Fraktionschef genau, dass am Abend in Hamburg die CDU-Spitze zur Jahresauftaktklausur zusammenkommt. Und dass seine Worte dort irgendeine Wirkung haben werden. Denn bei den Christdemokraten ist ja noch keineswegs entschieden, dass die Parteivorsitzende auch die nächste Kanzlerkandidatin wird.
In Hamburg startet AKK mit einem außenpolitischen Schwerpunkt in die Klausur: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommt zum Meinungsaustausch, anschließend debattiert der CDU-Vorstand mit einem New Yorker Professor über »Die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses«. Mit beiden Gesprächspartnern geht es um internationale Krisen, Weltpolitik, Donald Trump.
Gut möglich, dass sich Kramp-Karrenbauer, die Verteidigungsministerin ist und gerne Kanzlerin werden möchte, von der Gästeliste auch erhofft, dass ihr Image als international agierende Politikerin profitiert. Und so vielleicht dazu beiträgt, dass endlich auch ihr Ansehen in der Bevölkerung steigt.
Und dann kommt die kaum verklausulierte Botschaft des Sauerländers an AKK und die anderen im CDU-Führungszirkel: Ich stehe bereit, ich will auch in einer Mannschaft mitmachen, macht Merz klar. Im ersten Moment klingt es wie ein Friedensangebot im Ringen um die Kanzlerkandidatur. Aber reicht der ehrgeizige Merz AKK tatsächlich die Hand?
Wer Merz in Kreuth beobachtet, sieht einen Mann, der in den Augen seiner Gegenüber eigentlich längst Kanzlerkandidat ist. Für seine »ohne jeden Hintergedanken« gehaltene »Deutschland-Rede« zum Stand der Dinge in der Republik mit Forderungen nach Steuersenkungen und einer europäischen Digitalisierung bekommt er großen Applaus von den Gästen, die teils viel Geld für ihre Teilnahme gezahlt haben.
Der 64-Jährige sagt dann zwar auch, die K-Frage sei eine Frage, mit der er sich »ganz ehrlich« heute nicht auseinandersetze. Doch Merz wäre nicht Merz, wenn er sich nicht doch eine Hintertür für den Griff nach der Spitzenkandidatur offen hielte, die ja eigentlich seit Jahrzehnten exklusiv von den beiden Parteichefs von CSU und CDU beantwortet wird: »Diese Frage muss ich für mich beantworten, die müssen wir in der CDU beantworten, auch in der CSU beantworten, wenn sie beantwortet werden muss - und das ist vielleicht Ende des Jahres, aber das ist sicher nicht heute.«
Kurz vor Merz' »Friedensangebot« mischt sich vom Tegernsee aus auch Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg in die Debatte ein: »Für mich bleibt momentan als einziger unter den Unionspolitikern ein Friedrich Merz, den ich als durchaus für diese Aufgabe geeignet halte oder den ich wählen würde«, sagt der auch in seiner eigenen Partei CSU in Vergessenheit geratene Freiherr.
Weder in der CSU noch in der CDU sorgen Guttenbergs Aussagen für hektisches Treiben, registriert werden sie aber sehr wohl. In der CSU sehen auch einstige Merz-Unterstützer längst dessen Karrierezug abgefahren. Maximal im Falle einer schweren Wirtschaftskrise könne sich das noch mal ändern, heißt es in München.
Hört man sich in der CDU um, sind es fast nur noch Vertreter des Wirtschaftsflügels, die große Hoffnung in einen Kanzlerkandidaten Merz setzen. Zugleich wird in diesen Kreisen aber auch für möglich gehalten, dass der ehrgeizige Sauerländer gerne auch Wirtschafts- oder Superminister in einem Kabinett Kramp-Karrenbauer wäre.
Doch dass er die Ambitionen aufs Kanzleramt aufgegeben hat, glauben viele nicht. Kürzlich hatte er die Messlatte für die mit mauen Umfragen kämpfende AKK noch hoch gelegt: 35 Prozent seien für die CDU erreichbar, glaubt er. Aktuell pendeln die Umfragen zwischen 27 und 28 Prozent. Von Merz-Anhängern heißt es da süffisant: »Legt die CDU mit AKK auf 35 Prozent zu, wird sie Kanzlerkandidatin. Bleibt die Partei unter 30, muss Merz ran.«
In der CDU-Spitze wird das Merz-Angebot zum Mannschaftsspiel nicht gerade mit viel Euphorie aufgenommen. AKK habe ihm ja schon direkt nach seiner Niederlage im Vorsitzendenrennen angeboten, ins Präsidium oder den Vorstand der Partei einzuziehen, wird erinnert. Er habe abgelehnt.
Von Kramp-Karrenbauer gibt es am Rande der Klausur in Hamburg lediglich einen dürren Satz zur Ankündigung ihres früheren Konkurrenten: »Ich freue mich über die Bereitschaft von Friedrich Merz, sich zu engagieren.« Ob Merz tatsächlich mit einem Ministerposten rechnen kann, wenn er im Team spielt? Das wird erst viel später entschieden.