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Ende der Geduld: Fußball forciert Zuschauer-»Flickenteppich«

Allen Warnungen von Spitzenpolitikern wie Markus Söder und Armin Laschet zum Trotz forciert der Fußball die schnelle Rückkehr von Fans in die Stadien. Dafür nimmt die DFL vorerst auch einen Flickenteppich in Kauf.

BVB-Heimspiel
Auch Borussia Dortmund muss in der Corona-Krise weiter auf den Großteil der Zuschauer verzichten. Foto: Federico Gambarini/dpa-Pool/dpa
Auch Borussia Dortmund muss in der Corona-Krise weiter auf den Großteil der Zuschauer verzichten. Foto: Federico Gambarini/dpa-Pool/dpa

BERLIN. Für das Warten auf eine gesamtdeutsche Regelung zur Rückkehr von Zuschauern fehlt dem Profifußball die Geduld.

Mit der Zulassung von bis zu 4500 Fans setzt Bundesligist 1. FC Union Berlin am Samstag beim Test gegen den 1. FC Nürnberg das nächste Signal für den wachsenden Willen der Branche, die Geisterspiele zu beenden.

»Die Liga muss selbst überlegen, ob sie jetzt tatsächlich einen Flickenteppich will«, mahnt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stellvertretend für viele Warner aus der Politik. Die Antwort des Fußballs ist klar: Lieber Flickenteppich als gar keine Fans.

»Wir müssen aufpassen, dass dieses Land nicht in Schreckstarre gelähmt wird«, sagte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert nach der Außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga. Bis zu 8500 Zuschauer beim Ligastart in Leipzig, rund 4000 beim ersten Hertha-Heimspiel und eine Reihe von Zuschauer-Experimenten auch im DFB-Pokal - mit Zustimmung der örtlichen Behörden testen die ersten Clubs die Grenzen der regionalen Corona-Verordnungen aus.

Für CSU-Chef Söder ist das »ein falsches Signal«, wie er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur sagte. »Es gibt in der Bevölkerung keine breite Mehrheit für Fußballspiele mit vollen Stadien«, versicherte Söder und bekräftigte seinen Zeitplan: »Unser Ziel ist, nach dem Oktober eine Perspektive für Spiele mit Zuschauern zu haben.«

Doch selbst im Freistaat hofft der FC Bayern, bald die Stadiontore wieder öffnen zu dürfen. Die Münchner bestätigten am Freitag ein Hygienekonzept, das eine Maximalzahl von ungefähr 24.000 Fans in der Allianz Arena vorsieht, wenn die Behörden denn zustimmen. Der Fußball könne »ein Beispiel dafür geben, wie wir insgesamt in unserer Gesellschaft die nächsten Schritte in dieser herausfordernden Zeit angehen«, sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Auch vom Dauerrivalen Borussia Dortmund gab es Unterstützung für die Pläne zur Fan-Rückkehr. »Wir fordern ja nicht ausverkaufte Stadien. Ich denke, ein sukzessiver Start tut der Branche gut. Ich würde mir wünschen, dass diese Tests, die bei einigen Vereinen anlaufen, positiv ausgehen«, sagte BVB-Lizenzspielerchef Sebastian Kehl.

RB-Trainer Julian Nagelsmann verteidigte das heftig diskutierte Leipziger Modell. »Das ist keine Entscheidung aus dem Bauch heraus, sondern dies ist wissenschaftlich begründet«, sagte der Coach.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sieht in Sachsen dagegen einen unfairen Sonderweg. »Natürlich ist das eine Wettbewerbsverzerrung, wenn in einem Stadion 8000 Zuschauer sind und man einen Heimvorteil hat, und in einem anderen spielt man vor leeren Rängen«, sagte der CDU-Spitzenpolitiker. »Man braucht in Deutschland vergleichbare Regeln.« Die DFL habe nun die Aufgabe, faire Lösungen für alle 18 Bundesligisten zu erarbeiten. »Es ist jetzt schon ungut, dass eine Stadt es anders machen will«, kritisierte Laschet.

Die DFL signalisierte zwar, in der von Bund und Ländern vereinbarten Arbeitsgruppe mitarbeiten zu wollen, die bis Ende Oktober bundeseinheitliche Bestimmungen für die Wiederzulassung von Zuschauern im Sport festlegen soll. Der Beschluss von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten zum bis Jahresende weiter geltenden Verbot von Großveranstaltungen sei aber für die DFL »nicht eine generelle Absage gewesen an Bundesliga-Spiele mit Zuschauern«, betonte Liga-Boss Seifert.

Schließlich hätten alle 36 Clubs der 1. und 2. Liga wie gefordert ein Hygienekonzept vorgelegt, das auch eine Kontaktverfolgung vorsieht. Und so sei es auch nicht an der DFL, einzelnen Vereinen trotz lokal entspannter Infektionslagen die Rückkehr der Fans zu verwehren, sagte Seifert. Der Geschäftsführer des VfL Wolfsburg, Michael Meeske, sieht darin sogar wichtige Pilotprojekte. »Das kann auch ein Leuchtturmthema sein für andere Sportarten, für die der Kartenverkauf durchaus noch relevanter sein kann und natürlich auch für andere Kultureinrichtungen«, sagte Meeske dem TV-Sender Sky.

CSU-Chef Söder sprach sich indes auch in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gegen Insellösungen aus: »Einheitliche Regeln im Sport sind besonders wichtig.« Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt gesagt, das Vorgehen in der Fan-Frage solle »bundesweit abgestimmt« sein. Ähnlich sieht es Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl. »Es geht um unsere Gesundheit, ja, am Ende sogar um unser Leben«, sagte der CDU-Politiker.

In Baden-Württemberg sind derzeit nur 500 Besucher in Stadien erlaubt, die Fußball-Nationalmannschaft spielte wegen Vorgaben der UEFA am Donnerstag in Stuttgart sogar vor gänzlich leeren Rängen in der Nations League gegen Spanien. Das sei »nicht das, was man als Trainer oder Spieler möchte«, sagte Bundestrainer Joachim Löw.

Zusätzlichen Rückenwind erhoffen sich die Liga-Macher von mehreren Studien, die von der DFL finanziell unterstützt werden. Untersucht werden sollen die Ansteckungsgefahren verschiedener Zuschauer-Konzepte, die Fanbewegungen innerhalb und außerhalb der Stadien und die Verteilung von Aerosolen in Catering- und Sanitärbereichen. »Wir teilen die Ergebnisse mit allen Interessierten, auch mit der Politik«, kündigte Seifert an. Mit dieser wissenschaftlichen Basis sollen offenbar weitere Zugeständnisse ermöglicht werden. (dpa)