REUTLINGEN. Der »Lockdown light« gilt seit dem 2. November auch für den Amateurfußball. Der Spiel- und Trainingsbetrieb ruht seitdem. Die Stuttgarter Kickers haben jedoch am Dienstag in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass die Stadt Stuttgart dem Club eine Ausnahmeregelung erteilt habe. Demnach dürfen die Oberliga-Mannschaft sowie die Junioren-Teams der U19 (A-Junioren-Oberliga) und U17 (B-Junioren-Bundesliga) wieder unter Einhaltung der geltenden Hygieneregelungen trainieren. Karsten Amann, erster Vorsitzender des SSV Reutlingen Fußball und des Ligarivale der Stuttgarter, hat für diese Entscheidung »absolut kein Verständnis«. Der 1. CfR Pforzheim wittert eine Wettbewerbsverzerrung. »Corona Lockdown? Nicht überall...«, beschwerte sich Ligarivale auf Facebook. Andere dürfen folgen.
»Ich finde das verrückt«, sagt Amann dem GEA, »ich weiß auch gar nicht, auf welcher Rechtsgrundlage diese Entscheidung basiert.« Der SSV-Vorsitzende erinnert daran, dass sich im Oktober die drei baden-württembergischen Fußballverbände auf landesweit einheitliche Maßnahmen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie geeinigt hatten. So wurde ab dem 29. Oktober für alle Vereine der Trainings- und Spielbetrieb untersagt. Die Verbände wollen die Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder am 16. November abwarten, um zu entscheiden, wie es mit dem Spielbetrieb weitergeht.
»Von daher habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Kickers jetzt vorpreschen«, sagt Amann. »Das ist nicht die richtige Botschaft, die der Sport in der jetzigen Phase senden sollte.« Während Ligarivale 1. CfR nun auch bei der Stadt Pforzheim einen entsprechenden Antrag wie die Kickers stellen will, kommt das für den SSV nicht infrage. »Wir haben es ausdrücklich nicht vor, weil niemand weiß, wie es weitergeht«, betont Amann.
Lutz Siebrecht, der sportliche Leiter der Stuttgarter Kickers, begründet die Ausnahme gegenüber dem Fachmagazin Kicker so: »Wir befinden uns natürlich an der Schnittstelle zwischen Profi- und Amateurbereich«. Als Argument für professionelle Vereinsstrukturen führt Siebrecht an, dass die Kickers ein vom DFB lizenziertes Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) unterhalten. »Und aufgrund unserer Strukturen und des ja schon zuvor mit der Stadt ausgearbeiteten Hygienekonzepts wurde es uns nun erlaubt«, so Siebrecht.
Die Stadt Stuttgart teilt auf GEA-Anfrage mit, dass die Oberliga-Mannschaft der Kickers »als Profisport gezählt wird, weil die Trainingsleistung arbeitsvertraglich geschuldet wird und es sich überwiegend um Fußballprofis handelt«. Profimannschaften dürfen laut der Coronaverordnung des Landes weiter unter der Einhaltung von Hygieneregeln trainieren, wenn die Sportler überwiegend ihren Lebensunterhalt damit verdienen.
Die Kickers können sich nun auf den Dezember vorbereiten, in dem aktuell gegen den Freiburger FC und den SV Oberachern noch zwei Oberliga-Partien angesetzt sind – beides Teams, die noch auf die Wiederaufnahme der Trainingseinheiten warten müssen.
Am vergangenen Samstag hatten sich die Oberligisten mit Verbandsvertretern in einer Videokonferenz über eine mögliche Fortsetzung der bis mindestens zum 30. November unterbrochenen Saison ausgetauscht. In der ersten Variante soll die Spielzeit so schnell wie möglich – frühstens vom 5. Dezember an – mit ihren 42 Spieltagen zu Ende gespielt werden. Diskutiert wurden dabei auch Nachholspieltage bis Weihnachten und sogar ein sogenannter »Boxing Day« mit Spielen an den Weihnachtsfeiertagen, wie es in England üblich ist. Für diese Variante hat sich unter anderem der Tabellenzweite Stuttgarter Kickers ausgesprochen, hat Amann vom neuen sportlichen Leiter des SSV, Danijel Baric, berichtet bekommen. »Es spricht allerdings nicht dafür, dass dieses Jahr noch etwas passieren kann«, meint Amann.
Der SSV favorisiert daher eine andere Variante. Es wäre auch möglich, dass nur die Hinrunde zu Ende gespielt werden würde. Das wären noch sieben Spieltage. Danach würde es mit Auf- und Abstiegsrunden weitergehen. Über beide Varianten gab es bei den Oberliga-Clubs »unterschiedliche Ansichten«, wie Amann weiß. Aber egal wie und wann es weitergeht, »Spiele ohne Zuschauer lehnen wir völlig ab«, betont der SSV-Vorsitzende, »das wäre wirtschaftlich absoluter Irrsinn.« (GEA)