REUTLINGEN. Exakt um 23.04 Uhr am Samstagabend beendete ein gewaltiger Orchesterschlag mitsamt einem ebenso gewaltigen Effekt am Nachthimmel die »Classic Night« im Kreuzeiche-Stadion. Doch es war damit noch nicht ganz vorbei. Prasselnder Beifall erzwang eine Zugabe durch den jungen Trompeter Simon Höfele. Dann fiel der Vorhang für das 17. und vorerst letzte Open-Air-Event, ausgerichtet von Philharmonia-Chor und Betzinger Sängerschaft.
Seit dem Jahr 2001 gibt es die »Classic Night«. Die ersten drei Jahre fand das Ereignis auf einem noch freien Platz auf dem Bruderhausgelände statt – dort, wo heute die Stadthalle steht. Dann siedelte man ins Stadion über, was neben mehr Zuschauerplätzen den Vorteil hatte, dass die Besucher durch das Stadiondach geschützt wurden.
Treibende Kräfte waren die langjährige Vorsitzende des Philharmonia-Chors, Margret Reber, der damalige Vorsitzende der Betzinger Sängerschaft, Paul Grauer, und natürlich der gemeinsame Chorleiter Martin Künstner. »Ich war von jeher pyromanisch veranlagt«, bekannte er und so sollte das Open-Air-Spektakel auch mit einem großen Feuerwerk enden.
2004 zog man dann in das Kreuzeiche-Stadion um. Die Stadt hatte durchaus Interesse, den teuren Neubau nach dem Abstieg des SSV Reutlingen aus der zweiten Liga besser zu nutzen. Es wurde sogar ein immissionsrechtliches Verfahren in Gang gesetzt, um die Open-Air-Veranstaltung abzusichern, liegt das große Wohngebiet im Hohbuch samt seinen Hochhäusern doch in Sicht- und Hörweite des Stadions. Doch große Klagen kamen von den Anwohnern nicht auf. Ganz im Gegenteil: So war zu hören, dass einige das Event von ihren Balkonen aus verfolgten.
Trotz nicht immer günstiger Wetterbedingungen musste das Open-Air-Event nie abgesagt werden. Einmal wurde es verkürzt und einmal fiel es ganz aus – allerdings nicht wegen des Wetters, sondern weil im Jahr 2015 der Rasen im Stadion ausgetauscht wurde. Und im Jahr 2008 fiel im heftigen Gewitterregen das Feuerwerk zur Schlussmusik aus. Ob es Sabotage war oder das Gewitter den Kurzschluss auslöste, ist bis heute ungeklärt.
Nicht immer Wetterglück
Die Veranstalter hatten mit dem Wetter nicht immer Glück. Auch am Samstag nieselte es mitten in einer Schönwetterperiode vom Himmel herunter. Doch das hielt die treuen Fans der Classic Night nicht ab. Mit rund 2 200 Besuchern verzeichnete man gegenüber dem Vorjahr wieder eine Steigerung. So war auch der Caterer mit dem Umsatz sehr zufrieden. Beklagt wurde von einigen Besuchern nur, dass am Stand des Fördervereins des Philharmonia-Chors schon in der Pause Wein, Sekt und die Cocktails ausgingen.
Insgesamt war das Publikum jedoch begeistert. Chorleiter Martin Künstner hatte unter dem Motto »Italienische Nacht« wieder eine Zusammenstellung großer Arien, populärer Chöre und mitreißender Orchesterstücke präsentiert. Überhaupt hatte der Chorleiter schon immer ein Händchen fürs Programm. Begonnen hatte alles 2001 mit der »Carmina Burana« von Carl Orff, flankiert von einem Auftritt der Reutlinger Poplegende Daddes Gaiser.
Im Laufe der Zeit erweiterte Künstner das Programm. Es gab Ausflüge zu Musicals und Filmmusik. Um auch jüngere Zuhörer anzulocken, tauchten Abba-Songs auf, der Reutlinger Popmusiker Vasee komponierte. An den Chor wurden einige Anforderungen gestellt. Nicht nur, dass englisch, französisch, italienisch und russisch gesungen wurde, auch in einer südamerikanischen Indianersprache und in klingonisch (»Star Wars«) galt es zurechtzukommen. Und Künstner konnte bekannte Künstler engagieren. So spielte an der Kreuzeiche beispielsweise der Staroboist der Berliner Philharmoniker, Albrecht Mayer, und der bekannte Trompeter Professor Reinhold Friedrich. Bei den Sängern und Sängerinnen sind der Stuttgarter Opernstar Diana Haller zu nennen oder der Bayreuth-Bassist Franz Hawlada. Christine Reber sang sowohl bei der ersten Classic Night im Jahr 2001 wie auch jetzt beim letzten Event im Stadion.
Nachdem die Zuschauereinnahmen – trotz Zuwachs in den vergangenen zwei Jahren – tendenziell zurückgegangen waren, die Kosten dagegen stiegen und auch einige Sponsoren verloren gegangen waren, sahen die Verantwortlichen ein zu großes Risiko, das Event, das immerhin 120 000 bis 130 000 Euro kostet, noch einmal zu stemmen. Dies, obwohl bis zum Samstag der GEA, die Volksbank und die Stadt Reutlingen sowie das Land bei der Stange geblieben waren. Allerdings deutet sich bei der Volksbank zumindest eine Reduzierung des Sponsorings an. So bleibt die »Italienische Nacht« am vergangenen Samstag die letzte »Classic Night« im Stadion, was von vielen Zuhörern sehr bedauert wurde.
Doch Martin Künstner blickte schon voraus. »Für uns war es eine ganz große Zeit«, sagte er gegenüber dem GEA, »doch das ist jetzt vorbei«. »Wir wollen die Sache umfirmieren, damit der technische Aufwand nicht so groß ist«. Lassen wir uns also überraschen, was 2020 dann geboten wird. (GEA)