REUTLINGEN. Die Stimmung bei vielen Firmen in Reutlingen ist auf dem Tiefpunkt: Es herrschen Frust und Verzweiflung, weil staatliche Hilfen langsam fließen und es in gebeutelten Branchen keine Perspektive für Öffnungen gibt. Aus diesem Grund haben sich nun Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck, Christian Wittel, der Vorsitzende der Reutlinger Vereinigung »RT-aktiv« des Einzelhandels, der Dienstleister und der Hotellerie sowie Uwe Grauer, der Vorsitzende der Reutlinger Gastro-Initiative (RGI), mit der dringenden Bitte um Unterstützung in einem Offenen Brief an Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut gewand.
»In Reutlingen steht vielen Händlern, Gastronomen, Hoteliers und Dienstleistern buchstäblich das Wasser bis zum Hals, einige mussten sogar bereits aufgeben und hinterlassen nun bedauerliche Lücken in unserer Innenstadt«, heißt es in dem Offenen Brief. Laut RGI haben alle 33 Gastronomen, die an einer Umfrage teilgenommen haben, zwar die Abschlagszahlung für die Novemberhilfe, jedoch lediglich fünf auch die Schlusszahlung erhalten haben. 26 Teilnehmer haben die Abschlagszahlung für die Dezemberhilfe erhalten, kein einziger indes die Schlusszahlung.
Ein ähnlich düsteres Bild zeichnet sich bei den RT-Aktiv-Mitgliedern ab. 82 Prozent der Befragten haben Hilfen beantragt. Schlusszahlungen für die November- und die Dezemberhilfen hat noch niemand erhalten, die Anträge sind zu gleichen Teilen entweder noch offen oder mit einer Abschlagszahlung bedacht. Bei den Überbrückungshilfen I und II ist es vereinzelt zu Schlusszahlungen gekommen, die Überbrückungshilfe III kann aktuell immer noch nicht beantragt werden. 75 Prozent der Befragten sagen im Übrigen, dass die staatlichen Hilfen nicht ausreichen, sondern zusätzlich Kredite oder private Mittel in Anspruch genommen werden müssen.
38 Prozent der Reutlinger Händler, Dienstleister, Hoteliers und Gastronomen bezeichnen laut des offenen Briefs ihre wirtschaftliche Situation als »sehr schlecht«, 12 Prozent als »schlecht«. Mit »sehr gut«, »gut« oder auch nur »zufriedenstellend« beurteilt kein Teilnehmer seine derzeitige Situation. (GEA)
Der Offene Brief im Wortlaut
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wenn am heutigen Tage rund 40 Unternehmerverbände auf dem »Wirtschaftsgipfel« des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier die Situation ihrer jeweiligen Mitgliedsunternehmen schildern, rechnen wir fest damit, dass das Ergebnis nicht ganz so rosig ausfällt wie das, was der Bundesminister vollmundig verlautbart: Dass man dank der »Bazooka« des Bundes glimpflicher durch die Krise gekommen sei, als die meisten es erwartet hätten, beispielsweise. Oder auch, dass »95 Prozent aller Antragssteller der November- und Dezemberhilfe ihre Abschlagszahlungen bereits auf dem Konto« hätten.
Wir hier in der Großstadt Reutlingen können weder das eine noch das andere bestätigen – im Gegenteil. Das ist auch der Grund, warum wir, der Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen, der Vorsitzende der Reutlinger Vereinigung »RT-aktiv« des Einzelhandels, der Dienstleister und der Hotellerie sowie der Vorsitzende der Reutlinger Gastro-Initiative RGI, uns heute gemeinsam mit der dringenden Bitte um Unterstützung an Sie wenden. In Reutlingen steht vielen Händlern, Gastronomen, Hoteliers und Dienstleistern buchstäblich das Wasser bis zum Hals, einige mussten sogar bereits aufgeben und hinterlassen nun bedauerliche Lücken in unserer Innenstadt. Andere wiederum halten noch durch, finanzieren dieses Durchhalten jedoch mit ihrer Altersvorsorge – was keine Lösung, sondern lediglich einen Aufschub des Problems darstellt.
Derartige Hilferufe erreichen Sie sicherlich täglich. Wir haben uns deshalb die Mühe gemacht, unsere dringliche Botschaft mit einigen handfesten Zahlen zu unterfüttern. Von Seiten der Gastro-Initiative RGI ist zu berichten, dass alle 33 an unserer Umfrage teilnehmenden Gastronomen zwar die Abschlagszahlung für die Novemberhilfe, jedoch lediglich 5 auch die Schlusszahlung erhalten haben. 26 Teilnehmer haben die Abschlagszahlung für die Dezemberhilfe erhalten, kein einziger indes die Schlusszahlung.
Ein ähnlich düsteres Bild zeichnet sich bei den RT-Aktiv-Mitgliedern ab. 82 Prozent der Befragten haben Hilfen beantragt. Schlusszahlungen für die November- und die Dezemberhilfen hat noch gar niemand erhalten, die Anträge sind zu gleichen Teilen entweder noch offen oder mit einer Abschlagszahlung bedacht. Bei den Überbrückungshilfen I und II ist es vereinzelt zu Schlusszahlungen gekommen, die Überbrückungshilfe III kann aktuell immer noch nicht beantragt werden. 75 Prozent der Befragten sagen im Übrigen, dass die staatlichen Hilfen nicht ausreichen, sondern zusätzlich Kredite oder private Mittel in Anspruch genommen werden müssen.
Da liegt es auf der Hand, dass die Stimmung unter den Reutlinger Händlern, Dienstleistern, Hoteliers und Gastronomen deutlich eingetrübt ist. 38 Prozent bezeichnen ihre wirtschaftliche Situation als »sehr schlecht«, 12 Prozent als »schlecht«. Mit »sehr gut«, »gut« oder auch nur »zufriedenstellend« beurteilt kein einziger Teilnehmer seine derzeitige Situation. Von wenig Optimismus ist aber auch der Blick in die nähere Zukunft geprägt: Die betriebliche Perspektive der kommenden Monate sehen 50 Prozent der Befragten als »sehr schlecht« oder »schlecht« an, lediglich 38 Prozent denken, es »geht so«. Ein weiterer Punkt, der so manchem Einzelhändler schlaflose Nächte beschert, ist die Abschreibung von nichtverkäuflicher Winterware: Hier herrscht noch große Unklarheit und Verunsicherung.
Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut, es ist noch gar nicht allzu lange her, seit Sie Reutlingen zum letzten Mal besucht haben. Erst im November haben Sie mit uns das Innovationszentrum Innoport eröffnet. Für uns ist es sehr erfreulich, dass Sie uns hier auf dem ehemaligen Betz-Areal beim Aufbau eines modernen Industrieparks so tatkräftig unterstützen.
Nun hoffen wir auch auf Ihre Unterstützung für alle Akteurinnen und Akteure aus Handel, Dienstleistung, Gastronomie und Hotellerie, die viele Jahrzehnte lang unsere Stadt mit ihren Ideen und ihrer Initiative attraktiv und lebendig gehalten haben – und die nun auf Hilfe angewiesen sind, um ihre eigene berufliche Existenz, aber auch die ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Leben zu erhalten.
Freundliche Grüße
Thomas Keck, Oberbürgermeister, Christian Wittel, Vorsitzender RT-Aktiv, Uwe Grauer, Vorsitzender RGI