REUTLINGEN. Auf den Gehwegen drängen sich die Zuschauer mit aufgespannten Regenschirmen. Immer wieder dreht sich Oberbürgermeister Thomas Keck um, blickt die Gartenstraße hinab. Er wartet auf den Bus. Als dieser endlich kommt, schreiten er, seine Vorgängerin Barbara Bosch, Staatssekretär Steffen Bilger und weitere Amtsträger zur Tat. Mit der Schere durchschneiden sie das weiße Band, das über die Gartenstraße gespannt ist: Der Weg für den Busverkehr ist freigegeben. Damit ist die Gartenstraße ab dem heutigen Montag die Nahverkehrsachse des Reutlinger Stadtbusverkehrs.
Einer Parade gleich fuhren der neue Sattelschlepper, der vorerst auf der neuen Linie 5 Richtung Gönningen testweise Radfahrer und Rad mitnimmt, der kleine Quartiers-, ein Linien- und Gelenkbus, angeführt vom Elektrobus, vor. Hinter dessen Steuer saß sichtlich zufrieden RSV-Geschäftsführer Mark Hogenmüller. Thomas Keck sah in dieser feierlichen Eröffnung den Beginn einer neuen Dimension des öffentlichen Personennahverkehrs in Reutlingen. Zehn neue Buslinien, mehr als 100 neue Bushaltestellen, sechs statt vier Millionen Fahrplankilometer und 271 000 Fahrplanstunden zählte er in seinem Grußwort auf. »Viele Wege zwischen Stadtteilen, Bezirksgemeinden und Gewerbegebieten können künftig ohne Umsteigen in der Innenstadt zurückgelegt werden«, sagte Keck. »Kleinbusse erreichen künftig auch Wohngebiete in Hanglagen.«
Bereits unter Barbara Bosch habe der Gemeinderat 48 Millionen Euro in die mittelfristige Finanzplanung für Mobilität und Klimaschutz in den Haushalt eingestellt. Lediglich sechs Monate dauerte die Realisierung des Großprojektes. In dieser Zeit wurde auch die Gartenstraße für das Konzept umgebaut, »eine gewaltige Leistung«, betonte Keck und hebt die Zusammenarbeit der Kooperationspartner, Stadt Reutlingen und RSV, als »herausragendes Beispiel für interkommunale Kooperation« hervor.
Das neue Buskonzept stieß schon vor der offiziellen Eröffnung auf großes Interesse. Nicht nur, dass das noch kurfristig organisierte Zelt für das Stadtbusfest mit vielen Bürgern, Stadträten, Stadtspitze, Bürgermeistern aus den Nachbarorten, dem Bundestagsabgeordneten Michael Donth (CDU) und dem Landtagsabgeordneten Thomas Poreski (Grüne) gut gefüllt war. Auch die 15 000 gedruckten Exemplare der grünen Fahrplanbücher waren schnell vergriffen.
»Mobilitätswende heißt in erster Linie auch Klimaschutz«
»Mobilitätswende heißt in erster Linie auch Klimaschutz«, sagte Keck. »Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes spart die Fahrt mit dem Linienbus mindestens die Hälfte der Emissionen an Treibhausgasen gegenüber dem Pkw.« Diesen Aspekt betonte auch Staatssekretär Steffen Bilger vom Bundesverkehrsministerium. »Das stellt den Beginn eines neuen Mobilitätszeitalters in der Stadt Reutlingen dar«, sagte Bilger.
Als eine von fünf Modellstädten des bundesweiten Sofortprogramms »Saubere Luft« wird Reutlingen mit 14,5 Millionen Euro für zwei Jahre vom Bund gefördert. Attraktiver öffentlicher Nahverkehr, bessere Luft, ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz waren Bilgers Schlagworte. Er erhofft sich zudem eine weitere Senkung der Stickoxidwerte in Reutlingen, was unter anderem durch den Bau des Scheibengipfeltunnels bereits angestoßen worden sei.
Bilger sagte, er freue sich, dass die Zahl der verkauften Abos bereits gestiegen sei, das Jahresticket für 365 Euro sei schon jetzt ein großer Erfolg.
Mit der beschwingten Musik der Reutlinger Stadtkapelle im Hintergrund konnten sich die Interessierten bis zum späten Nachmittag die Busse genauer ansehen, im Quartiersbus Probe sitzen und begutachten, wie die Fahrräder im Sattelschlepper befestigt werden. Für die Verpflegung waren die »Betzinger Krautskräga« und »Cascal« vor Ort. (GEA)