REUTLINGEN. Der Wahlkrimi beginnt närrisch, in Form von gemütlichem Herumstehen, angeregten Gesprächen. Noch sind alle entspannt und locker.
17:50 Das Foyer füllt sich. Auf der Leinwand links neben dem Bürgeramt stehen das wesentliche: »ab ca. 18.30 Uhr werden die ersten Ergebnisse erwartet«. Auf die warten auch zwei Narren. Sabrina und Maya Schwabe, Mutter und vierjähriges Töchterchen, sind im Häs der Betzinger Mühla-Katza ins Rathaus gekommen. Wieso? »Wir kommen direkt vom Seniorenfasching in Betzingen. Man darf auch sehen, dass Betzinger einen Betzinger unterstützen«. Klar, wer gemeint ist.
18:05 Dr. Christian Schneider und Thomas Keck treffen ein. Schneider in schwarzem Anzug und feinkariertem Hemd. »Heftig« sei der Wahlkampf gewesen. »Ich bin seit dem 11. Oktober unterwegs, das war eine intensive Zeit«. Jetzt sei er »voller Adrenalin«, und warte »mit Demut und Respekt« auf den Wählerwillen.
18:14 Thomas Keck schüttelt Dr. Carl-Gustav Kalbfell mit den Worten die Hand: »Es kommt wie es kommt«. Und dann tauchen die ersten Ergebniszahlen auf: 45,4 Prozent für Keck nach Auszählung von 20 von 87 Wahlbezirken.
18:24 Das wird ein ganz knappes Rennen zwischen Schneider und Keck. Der Blick des Betzingers verrät große Anspannung. Schneider holt auf. Wahnsinn, jetzt haben beide 41 Prozent.
18:27 Das Gemurmel wird leiser, die Spannung steigt. Das Kopf-an-Kopf Rennen entwickelt sich zum Wahlkrimi. Nur wenige Stimmen trennen Schneider und Keck, das wird schnell deutlich.
18:30 »Das es knapp wird, war ja klar - aber so...« sagt eine Journalistin in der ersten Reihe vor der Leinwand mit den Ergebnissen. Die Kandidaten stehen mit ernsten Mienen nebeneinander.
18:35 Im Augenblick liegt gerade mal Keck vorne - nach Auszählung von 76 von 87 Wahlbezirken. 41,4 Prozent für den Betzinger, aber 40,7 Prozent für Schneider. »Jobsharing« fragt einer im Publikum hinter Schneider. Der grinst nur angestrengt.
18:43 Der rote und der schwarze Balken scheinen optisch gleich groß zu sein. Doch Keck liegt in Führung. »In unserer Haut möchte jetzt niemand stecken«, sagt Schneider. Wohl wahr.
19:05 Das vorläufige Endergebnis. Thomas Keck gewinnt mit 41,1 Prozent, Schneider kommt auf 40,8 Prozent der Wählerstimmen bei einer Wahlbeteiligung von nur 40,2 Prozent.
19:10 OB Barbara Bosch ergreift das Wort, gratuliert dem Wahlsieger Keck.
19:12 Keck spricht, und bedankt sich bei allen Reutlingern und bei den Mitkandidaten für einen »überaus fairen Wahlkampf«. Er dankt seinen Wählern, macht aber auch deutlich: er will in den kommenden acht Jahren auch die überzeugen, die ihn nicht gewählt haben.
19:25 Eine Welle der Sympathie schwappt Thomas Keck entgegen. Er strahlt mit von der Anstrengung und Aufregung gerötetem Gesicht - und gibt ein Interview nach dem anderen. Auch Barbara Bosch ist als Gesprächparterin sehr gefragt. Der Mann vom Fernsehen fragt sie nach der geringen Wahlbeteiligung von nur 40,2 Prozent. »Schade drum«, meint sie - aber immerhin habe man ein Ergebnis.
19:35 Auf die Frage, was er denn jetzt nach dem Wahlabend als erstes machen werde, antwortet Thomas Keck: »Mal wieder in mein Büro gucke«. Ok, dazwischen wird bestimmt gefeiert.
19:45 Reutlingens neuer OB kommt gleich am Abend des Wahlsonntags ins Fernsehen, tritt live in den Abendnachrichten auf. »Die Anspannung ist noch da«, erklärt er dem Reporter, »das war ein Herzschlagfinale«. (GEA)