REUTLINGEN. »Der Immobilienmarkt in Reutlingen erwies sich in der Pandemie durch den Wunsch nach einem Eigenheim und Sicherheit als Krisengewinner«, so Professor Stephan Kippes, Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland (IVD), anlässlich der Veröffentlichung des neuen City-Reports Reutlingen. Der Bericht analysiert die Marktentwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt der Stadt und gibt Auskunft über das aktuelle Kauf- und Mietpreisniveau. »Dies führte zu einem deutlichen Angebotsrückgang. Der Suchradius der Nachfrager hat sich spürbar erweitert. Der Reutlinger Nordraum sowie Städte und Gemeinden nahe des Albtraufs erfahren eine hohe Nachfrage. Dämpfend können sich die höheren Kosten für Fremdkapital auswirken, seit Jahresbeginn sind die Zinskosten deutlich gestiegen«, sagt der Leiter des Maklerverbands.
Stadtnahe Baugrundstücke oder Bestandshäuser mit Baureserven stellen demnach meist keine Alternative dar, da diese oft mit entsprechenden Aufschlägen an Bauträger zur Neubebauung mit Geschosswohnungen verkauft würden.
In den vergangenen fünf Jahren nahm das Preisniveau in Reutlingen spürbar zu. Die deutlichsten Zuwächse erfuhren Eigentumswohnungen mit plus 41 Prozent. Es folgten Baugrundstücke für Mehrfamilien- beziehungsweise Einfamilienhäuser mit plus 31 Prozent beziehungsweise plus 23 Prozent sowie freistehende Einfamilienhäuser mit plus 21 Prozent. Die Anstiege für Mietwohnungen fielen mit plus 17 Prozent am geringsten aus (jeweils Bestandsobjekte mit einem guten Wohnwert).
»Die Lage auf dem Mietmarkt ist nach wie vor angespannt«
In Teilbereichen des Geschosswohnungsbaus seien weitere Preisanstiege wegen steigender Bau- und Grundstückspreise festzustellen. Neben der Mikrolage, Architektur und Ausstattung werde vermehrt Wert auf Infrastruktur, wie zum Beispiel Anbindung an den ÖPNV, Einkaufsmöglichkeiten und technische Infrastruktur gelegt. Gebrauchte Eigentumswohnungen erfuhren laut Maklerverband teils ein deutliches Preiswachstum, vorwiegend im Segment der Ein- bis Drei-Zimmerwohnungen, da hier Eigennutzer und Anleger konkurrieren.
Im Jahresvergleich Frühjahr 2021 zu Frühjahr 2022 verteuerten sich die Bestandsobjekte zum Kauf im guten Wohnwert in der Spanne zwischen plus 4,4 Prozent und plus 6,8 Prozent. Von den höchsten Preissteigerungen waren Eigentumswohnungen und Doppelhaushälften betroffen, gefolgt von Einfamilienhäusern und Reihenmittelhäusern.
»Die Lage auf dem Mietmarkt ist nach wie vor angespannt. Trotz der durch die Reutlinger Wohnbauflächenoffensive angestoßenen Neubautätigkeit bleibt die Nachfrage nicht vollständig gedeckt«, erläutert Christoph Landgraf, Vorstandsmitglied des IVD Süd. »Insbesondere in der Preiskategorie bis 1 000 Euro Kaltmiete beziehungsweise einer Wohnfläche von 90 Quadratmeter herrscht eine hohe Nachfrage. Größere und deutlich teurere Wohnungen sind oft schwieriger zu vermieten.« Anders als bei den Kaufobjekten fielen die Preissteigerungen im Mietsegment laut IVD deutlich verhaltener aus.
Im Frühjahr 2022 lagen die Mieten in Reutlingen im guten Wohnwert durchschnittlich bei 10,50 Euro pro Quadratmeter für Altbauwohnungen (plus ein Prozent im Vergleich zum Frühjahr 2021), 11 Euro pro Quadratmeter für Bestandswohnungen (plus 0,9 Prozent) und 14,10 Euro pro Quadratmeter für neu errichtete Wohnungen (plus 5,2 Prozent).
Brachte die Corona-Pandemie den erhofften preisdämpfenden Effekt nicht, so steht der Wohnimmobilienmarkt derzeit vor einer Trendwende: Vor dem Hintergrund stetig steigender Baukosten, einer schwächelnden Konjunktur sowie zuletzt auch eines schnell wachsenden Zinsniveaus bei Immobiliendarlehen lässt sich für immer weniger Interessenten der Wunsch nach einem Eigenheim darstellen. Mit einer spürbar gedämpften Nachfrage könnten die Zeiten steil steigender Kaufpreise bald zumindest für eine gewisse Zeit vorüber sein. Für kaufkräftige Investoren bleibt die Geldanlage im sicheren Immobilienhafen hinsichtlich der hohen Inflation dennoch weiterhin äußerst attraktiv. Am Mietmarkt werden die hohe Inflation sowie die massiv steigenden Energiepreise insbesondere die Wohnnebenkosten weiter antreiben. Gerade Mietern mit geringerem und mittlerem Einkommen stehen hier finanziell schwierige Zeiten bevor. (eg)