REUTLINGEN. Und schon wieder hat ein schweres Unwetter in Reutlingen und der Umgebung für teils schwere Überflutungen gesorgt. Die Feuerwehr war am Montagabend im Dauereinsatz, berichtete der Leitende Stadtbrandirektor Harald Herrmann dem GEA. Der Notruf 112 für Feuerwehr und Rettungsdienst war geraume Zeit überlastet, über die Notfall-Informations- und Nachrichten-App (Nina) wurden Nutzer aufgefordert, bei medizinischen Notfällen die 110 der Polizei zu wählen. Aber auch dort klingelte pausenlos das Telefon: »Es sind sehr viele Keller und Straßen überflutet worden«, sagte ein Polizeisprecher auf GEA-Anfrage.
Starkregen führt in Reutlingen zu über 450 Einsätzen
Um 18.20 zog eine Gewitterfront vom Zollernalbkreis her in den Landkreis Reutlingen hinein. Nachdem der Deutsche Wetterdienst bereits gegen 18.15 Uhr die Wetterwarung ausgelöst hatte, konnte die Feuewehr bereits die Integrierte Leitstelle verstärken und den Voralarm für alle Kräfte im Stadtgebiet auslösen.
Seit 18.30 Uhr sind über 460 laut einer Mitteilung der Stadt Reutlingen Einsätze eingelaufen; eine Vielzahl von Keller sind vollgelaufen, Straßen wurden überflutet und durch umstürzende Bäume blockiert.
In zwei Gebäuden wurden Personen im Untergeschoss von den Wassermassen eingeschlossen, sodass die Wasserrettungseinheiten von der Feuerwehr und der DLRG alarmiert werden mussten. Ebenso musste die Feuerwehr zu zwei Bränden in die Mühlstraße in Betzingen und ins Regionale Rechenzentrum alarmiert. Zudem wurde die Feuerwehr zu einem aufschwimmenden Öltank nach Oferdingen und zu einem Gasgeruch in den Schönen Weg alarmiert.Schwerpunkte der Unwettereinsatze sind die Innenstadt, Betzingen, Ohnemhausen, Rommelsach, Gönningen. Ebenso sind Teile der Innenstadt von Pfullingen unter Wasser.
Der Führungsstab der Feuerwehr hat in Abstimmung mit dem Kreisbrandmeister weitere Kräfte aus anderen Landesteilen nach Reutlingen alarmieren lassen. Drei Führungseinheiten wurden über die Mobile Führungsunterstützung von den Feuerwehren Pforzheim, Karlsruhe und Baden-Baden nachalarmiert. Die Kräfte der Stadtentwässerung und der Technischen Betriebsdienste sind ebenso im Einsatz wie der Verwaltungsstab der Stadt Reutlingen. Die Einsätze dauern derzeit noch an. (pm)
Notrufnummern im Kreis Reutlingen überlastet
Die Notrufleitungen 112 sind aktuell (Stand 21.16 Uhr) überlastet, heißt es in der Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes, kurz Warn-App NINA. Bei medizinischen Notfällen soll die Polizei unter der Rufnummer 110 verständigt werden. (der)
Echaz flutet Haupstraßen in Betzingen und Wannweil
Beim Hagelunwetter am vergangenen Mittwoch kam Betzingen hoch halbwegs glimpflich davon. Aber gestern wurde der Stadtbezirk böse getroffen – schlimmer noch als beim Hochwasser im Juni 2018, das die Betzinger Ortsmitte in eine Seenlandschaft verwandelte.Diesmal stieg das Wasse noch höher. »Verheerend«, so die Kommentare leidgeplagter Anlieger: Die Steinachstraße stand ab der Brücke vis-à-vis von Fahrrad-Sauer »bis zu den Knien« komplett unter Wasser, das sich diesmal sogar bis zur Kreuzung an der Mauritiuskirche und weiter zur Straße »Im Dorf« hoch zum Weinhaus Schall ausbreitete.
Die Mühlstraße war schon auf Höhe der Wernerschen Mühle geflutet, 20 bis 30 Zentimeter hoch stand dort das Wasser. »Das Rathaus ist eine Insel«, berichtet Bezirksbürgermeister Friedemann Rupp um 22.30 Uhr vom Ort des Geschehens. Spundwand und Sandsäcke zeigten Wirkung, nur wenig Wasser drang diesmal ins Innere des Gebäudes ein. Das Echazwasser stieg innerhalb kürzester Zeit fast bis auf Höhe des Brückengeländers an – Ausmaße, wie sie nic beim letzten verheerenden Hochwasser 2018 nicht erreicht wurden.
»Das ist schlimmer und eher vergleichbar mit dem Jahrhunderthochwasser 2013«, sagt Rupp, der auch von Autos berichtet, die von den Wassermassen weggerissen wurden, sowie von unzähligen voll gelaufenen Kellern. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage war die Feuerwehr im Dauereinsatz. Dass wegen der Echaz-Baustelle auf Höhe des Goosgartens das Flussbett erweitert ist, dürfte sich seiner Einschätzung nach eher positiv ausgewirkt haben. Seine Stellvertreterin, Mitinhaberin des Schuhhauses Nestel in der Steinachstraße, war ebenfalls im Rathaus – und kam nicht mehr zurück. »Die Straßen waren schlagartig voll.« Zwar habe die neue Hochwasserschutzmauer gehalten, doch sei das Wasser bei der Kreissparkasse und andernorts über die Ufer getreten. Und, so Krause; »Die Gullis haben nicht gehalten.«
Rommelsbach erwischt es böse
Nach dem schweren Hagelunwetter vom vergangenen Mittwoch hat es Rommelsbach gestern Abend erneut bös’ erwischt. Kniebis-, Ermstal- und Württemberger Straße nebst Kreisverkehr standen binnen Kurzem unter Wasser. Auch Keller und Garagen, weiß Bezirksbürgermeisterin Gabriele Gaiser, sind förmlich geflutet worden und mussten von Einsatzkräften der Feuerwehr leergepumpt werden.
Lage in Reicheneck nicht dramatisch
Derweil sich die Lage in Reicheneck glücklicherweise etwas weniger dramatisch gestaltete. Zwar traten in Reutlingens kleinster Bezirksgemeinde Weiherbächle und Reichenbach über ihre Ufer, machte der Gewitterguss den Bereich bei der sogenannten Teufelsbrücke unpassierbar – allerdings ohne innerörtliche Straßen zu überschwemmen. Nach Einschätzung von Schultes Ulrich Altmann und dessen Stellvertreterin Birgit Krause erwies sich die Gesamtsituation als weit weniger bedrohlich beziehungsweise Schaden verursachend als beim Hagelschlag der zurückliegenden Woche. Eiskörner haben das Dorf diesmal übrigens nicht unter Beschuss genommen. Gleichwohl dürfte der Starkregen die Landwirtschaft zum zweiten Mal in kurzer Folge vernichtend getroffen haben.
Nur ein Feuerwehreinsatz in Sondelfingen
Und in Sondelfingen? Dort meldete Ortsversteher Mike Schenk gegen 20.30 Uhr unter Wasser stehende Felder. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich freilich noch keinen Überblick verschaffen können, war gerade dabei, neuralgische Punkte abzufahren und mit der Feuerwehr Kontakt aufzunehmen. Eine Stunde später die Nachricht: »Wir sind glimpflich davon gekommen.« Zu lediglich einem Einsatz, so Schenk, musste die Freiwillige Feuerwehr bis 22 Uhr ausrücken. Ansonsten behalfen sich die Sondelfinger meist selbst und befreiten verstopfte Gullis von Unrat oder legten (Tief-)Garagen oder Keller auf eigene Faust und mit Bordmitteln trocken.
Sickenhausen kommt mit blauem Auge davon
»Im Großen und Ganzen« ist auch Sickenhausen mit einem blauen Auge davongekommen. Seiner Hanglage geschuldet wurde der Flecken nach Beobachtung von Bezirksbürgermeister Frank Zeeb weit weniger stark in Mitleidenschaft gezogen als Betzingen, Teile der Innenstadt oder Rommelsbach. Zugelaufene Keller gab es zwar auch hier, aber: »Es hätte wesentlich schlimmer kommen können.«
Auto in Bronnweiler weggeschwemmt
So geschehen in Bronnweiler, wo die Wiesaz zum reißenden Fluss angeschwollen ist und ein geparktes Auto mitgeschwemmt hat. »Etwas Vergleichbares habe ich noch nie erlebt«, sagt Bezirksbürgermeisterin Friedel Kehrer-Schreiber, die selbst Wasserschäden beklagt. Durch Oberlichter ist der Regen in den Keller eingedrungen. Gemessen an anderen Betroffenen, so Kehrer-Schreiber sinngemäß, sei’s indes ein Klacks. Wirklich drastisch habe der Starkregen im Wiesengrund gewütet und überall dort, wo Wohnbebauung und Gewerbe der Wiesaz nahe sind. Die Bronnweiler Wehr unterstützt von Kameraden aus Gönningen befand sich gestern Abend im Dauereinsatz – ohne absehbares Ende.
Gönningen stark in Mitleidenschaft gezogen
Zu den stärker in Mitleidenschaft gezogenen Teilorten zählt außerdem Gönningen. Bis 22 Uhr hatte die lokale Wehr nach Angaben von Ortsvorsteherin Christel Pahl bereits 18 Einsätze absolviert. Auch hier war die Wiesaz stark angeschwollen und hatte sich in benachbarte Keller ergossen. Immerhin: Die Hochwasserschutzmaßnahmen bei der Roßberghalle haben gegriffen und die Mehrzweckimmobilie vor Überflutung bewahrt.
Kanalisation in Pfullingen hält nicht Stand
In Pfullingen wurden Erinnerungen an das Starkregen- und Hagelunwetter vom Juni 2016 wach: Während des Gewittersturms gestern Abend liefen unter anderem in der Griesstraße wieder die Wassermassen zusammen. Offenbar konnte die Kanalisation diese Mengen nicht verarbeiten. Anwohner sorgten dafür, die Kanalschächte von Unrat zu befreien. Danach lief das Wasser allmählich ab. So wie in vielen anderen Straßen an diesem Abend. Die 192 Einsatzstellen waren über das ganze Stadtgebiet verteilt. In vielen Straßen standen Bewohner vor der Tür und kehrten den Unrat weg oder räumten ihre vollgelaufenen Garagen oder Keller aus. Auch das Untergeschoss des Polizeireviers stand unter Wasser. Wieder einmal war die Feuerwehr in der Hohe Straße im Einsatz. »Jetzt ist schon der zweite Wagen futsch«, so ein Anwohner.
Aus den Gullyschächten in der Kurt-App-Sporthalle hatte das Wasser gedrückt und Umkleidekabinen, Technikräume und Sporthalle geflutet. Gerd Mollenkopf von der Handballabteilung und viele Helfer, unter anderem die Freiwillige Feuerwehr aus Lichtenstein, versuchten zu retten, was zu retten war. Mollenkopf hofft, dass es nicht wie 2013 wieder den Boden erwischt hat. Gerade habe die erste Mannschaft wieder angefangen zu trainieren, erklärte er. Währenddessen standen die Feuerwehrfahrzeuge vor dem Pfullinger Gerätehaus Schlange. Neben den Lichtensteinern waren neun weitere Feuerwehren angerückt, um ihre Pfullinger Kollegen zu unterstützen. In den Pfullinger Hallen bauten zu dieser Zeit Cornelia Gekeler und Sabine Hohloch von der Stadtverwaltung eine Verpflegungsstation für die rund 250 Helfer auf.
30 Einsätze in Eningen
Nicht ganz so dramatisch war die Lage in Eningen. Kurz vor 21 Uhr sprach Feuerwehrkommandant Boris Goller von rund 30 Einsatzstellen in der Achalmgemeinde. Vor allem auf der Wenge und im Arbachtal pumpten die Eninger Helfer Keller leer. Aber auch die Hauptstraße war wieder mal betroffen. Gleich zu Beginn der Albstraße war der Ortsbach übergelaufen und hatte die Straße geflutet. Mit einem Bagger wurde der Unrat aus dem Bach geholt, um den Rückstau zu beseitigen.
Fausgroße Hagelkörner fallen im Kreis Tübingen
Im Landkreis Tübingen hat das Unwetter innerhalb einer halben Stunde für zahlreiche Überschwemmungen und voll gelaufene Keller gesorgt. Zwischendurch fielen sogar einige faustgroße Hagelkörner. Das Ausmaß des Ereignisses blieb jedoch hinter dem vom vergangenen Mittwoch zurück.
Die Steinlach wurde in Ofterdingen zu einem reißenden Fluss, der von Gartenstühlen bis Baumstämmen jede Menge Treibgut mit sich nahm. Der Ort sei haarscharf an einer Überschwemmung vorbeigekommen, kommentierte der Mössinger Polizeichef Jürgen Adam, als der Regen langsam nachließ.
Der Kreisverkehr zwischen Bästenhardt und Mössingen stand unter Wasser und drohte die angrenzenden Einkaufsmärkte zu überfluten. Freiwillige Helfer hoben die Gullideckel an, damit der Regen besser ablaufen konnte.
In Nehren, wo der Obwiesbach über die Ufer trat, zu einem rauschenden Fluss wurde und die Kreisstraße überspülte, forderte Bürgermeister Egon Betz, der gerade eine Gemeinderatsitzung leitete, als das Unwetter über den Ort hereinbrach, die Hilfe des THW an, da in zwei Straßenzüge die Keller bis unter die Decke voll Wasser gelaufen waren. 90 Liter Wasser pro Quadratmeter und Stunde wurden ihm aus seinem Garten gemeldet. (mey/ist)
Im Industriegebiet-West auf Gemarkung Kusterdingen haben Sturmböen, die laut Unwetterzentrale bis zu 100 Stundenkilometer erreichen konnten, einen Baum entwurzelt. Dieser ist auf ein parkendes Auto gestürzt und hat dieses demoliert. (der)