REUTLINGEN. Der Stadtverkehr wird wieder »busser«, dieser Überzeugung sind zumindest Bernd Kugel, Prokurist bei der Reutlinger Stadtverkehr GmbH, und Stefan Dvorak, Leiter des Amts für Stadtentwicklung und Vermessung. Viele Monate haben Fahrplangestalter an den neuen Fahrplänen getüftelt. Das Ergebnis können die Fahrgäste seit dem 10. Dezember selbst ausprobieren – denn gleichzeitig mit dem Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn starten auch die der regionalen Verkehrsanbieter. Kleiner Tipp für Neugierige ohne Monatsticket: An den Adventssamstagen kann man die Buslinien kostenlos ausprobieren.
Stadtbusnetz 2.0
Aber zurück zum neuen Fahrplan: Mit diesem will die RSV wieder, zumindest teilweise, an die Zeiten vor Corona anknüpfen. Während der Pandemie gab es enorme Einschränkungen im ÖPNV, die Fahrgastzahlen rauschten überall in den Keller, das Reutlinger Vorzeigemodell musste nach und nach heruntergefahren werden. Jetzt aber ist man wieder auf Kurs, die Fahrgastzahlen steigen, und darum ist es an der Zeit, wieder hochzufahren. Unter Beteiligung des Fahrgastbeirats wurde das Konzept Stadtbusnetz 2.0 entwickelt, das der Gemeinderat dann noch vor der Sommerpause beschlossen hat. Bereits im Sommer wurden als erster Baustein die Nachtbusse wieder eingeführt, berichten Dvorak und Kugel. Der zweite Baustein ist der neue Fahrplan, der seit Sonntag gilt.
Für diesen mussten zum einen neue Gegebenheiten, wie verkehrsberuhigte Zonen, aber auch verändertes Verkehrsaufkommen eingearbeitet werden. Die Streckenführung wurde auf den Prüfstand gestellt und einiges optimiert. »Künftig haben wir auf allen Hauptlinien zu den Hauptzeiten einen 20-Minuten-Takt, auch in den Ferien«, erklärt Dvorak, das heißt, die Busse fahren öfter. Und es wurden auch Änderungswünsche der Fahrgäste berücksichtigt, so wird bei den Linien 2 und 22 wieder eine Durchgängigkeit hergestellt, die beiden Linien gehen als Ringverkehr ineinander über, und die Linie kehrt nach Ohmenhausen zurück, wie es oft aus der Bezirksgemeinde gefordert wurde. Zudem verlaufen mehr Linien parallel zur Einkaufsstraße und nicht mehr über den Ledergraben, was das Einkaufen erleichtern soll.
Umbenannt, nicht gestrichen
Aber es sind bei Weitem nicht alle Passagiere begeistert von dem neuen Fahrplan, mehrere Leser haben sich mit Fragen und Kritik an den GEA gewandt. Eine Leserin will wissen, warum eine Linie vom Gebiet Ringelbach/Markwasen komplett gestrichen wurde. Die Linie 8, auf die sich die Passagierin bezieht, wurde jedoch nicht gestrichen, erklärt Kugel, sondern nur in Linie 6 umbenannt und sie hat nun ein anderes Ziel. Start der Linie ist im Markwasen, der Bus fährt dann am Klinikum vorbei zum Listplatz und schließlich bis nach Mittelstadt. Das könne bei der einen oder anderen Linie durchaus mal passieren, dass der Streckenverlauf angepasst wurde. Die Linie 8 hingegen startet im Hohbuch und fährt durch die Stadt bis zur Haltestelle »Burgholz«. Alles in allem habe man mit dem neuen Fahrplan versucht, mehr Orte anzubinden und vor allem besonders stark frequentierte Plätze von mehreren Richtungen oder öfter anzusteuern. Man wolle möglichst vielen Reutlinger ermöglichen, mit dem Bus unterwegs zu sein, sagen Dvorak und Kugel.
Auch Eltern von Schülern der freien evangelischen Schule (FES) haben sich beim GEA gemeldet: Vom Georgenberg aus müssen die Schüler künftig umsteigen, um in die Schule zu gelangen. Gerade bei jüngeren Kindern funktioniere dies nicht, »das ist an der Realität vorbei«, sagt ein Vater. Eltern müssten nun kurz vor Weihnachten freinehmen, um dies mit den Kindern zu üben. Der RSV wurde dieses Problem bereits vergangene Woche von der Schulleitung mitgeteilt. »Wir sind in regem Austausch mit der Schule«, sagt Kugel, »die Kinder können am Albtorplatz aussteigen und dort in die Sonderlinie zur FES umsteigen«. Er gehe davon aus, dass es so klappen werde.
Zu wenig Infos vorab
Weiterer Kritikpunkt ist die schlechte Kommunikation, die Änderungen seien vorab nicht genügend bekannt gegeben worden, beklagen mehrere Fahrgäste. Die Verantwortlichen hingegen erklären, dass es Infos über Mailverteiler ebenso gegeben hat wie Anschreiben an Bestandskunden. Auf der Homepage gibt es Erläuterungen zu allen einzelnen Linien, und in den Bussen hingen rote Flyer: »Wir haben die Werbetrommel ordentlich gerührt«, betont Kugel. Zum Fahrplanwechsel standen außerdem Mitarbeiter an allen neuralgischen Punkten und halfen bei Fragen weiter. Und auch alle 700 Haltestellen sind pünktlich mit neuen Fahrplänen bestückt worden.
Alles in allem glauben die beiden, dass die neuen Fahrpläne gelungen sind, auch wenn es leider nicht gelinge, alle Lebenslagen immer komplett abzubilden, räumt Dvorak ein. Allerdings seien die Änderungen nicht so, dass alles anders wird. »Es ist ja keine Revolution, sondern eher eine Evolution«, so Kugel. Manches müsse sich erst mal einspielen und die Kunden müssen sich daran gewöhnen. Und sollte etwas ganz gegen die Kundenwünsche sein, ist es nicht auf alle Zeiten in Stein gemeißelt, oder, wie es Kugel ausdrückt: »Nach dem Fahrplanwechsel ist schließlich immer vor dem Fahrplanwechsel«.
Der dritte große Baustein im Stadtbusnetz 2.0 ist übrigens die Wiedereinführung der Quartiersbusse. Die Haltestellen stehen noch, nun ist es die Aufgabe der Planer, zu überlegen, wie man diese passgenauer wieder anbieten kann. (GEA)