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Aktuell Zukunft

Reutlinger Mobilitätstage: Autonom fahren auf der Straße

Der Reutlinger General-Anzeiger lädt am Wochenende des 30./31. März zu den Reutlinger Mobilitätstagen in und um die Stadthalle ein. Die Aussteller präsentieren Konzepte und Produkte rund um aktuelle und zukunftsträchtige Arten der Fortbewegung. Das im vergangenen Jahr gegründete Joint Venture Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG will den Besuchern Autonomes Fahren präsentieren – in einem virtuellen Fahrzeug mit innovativer Steuerungstechnik.

Ex-Rennfahrer Nico Rosberg im Schaeffler Mover bei der Elektronikmesse CES im Januar in Las Vegas. Das wendige Elektrofahrzeug s
Ex-Rennfahrer Nico Rosberg im Schaeffler Mover bei der Elektronikmesse CES im Januar in Las Vegas. Das wendige Elektrofahrzeug soll bald mit der Steuerungstechnik Space Drive des Pfronstetter Unternehmens Paravan autonom auf der Straße fahren. FOTO: SCHAEFFLER
Ex-Rennfahrer Nico Rosberg im Schaeffler Mover bei der Elektronikmesse CES im Januar in Las Vegas. Das wendige Elektrofahrzeug soll bald mit der Steuerungstechnik Space Drive des Pfronstetter Unternehmens Paravan autonom auf der Straße fahren. FOTO: SCHAEFFLER

REUTLINGEN/PFRONSTETTEN. Schaeffler hat den Mover, Paravan die digitale Lenktechnologie mit Straßenzulassung – beides zusammen soll zu einem autonomen Fahrzeug für den öffentlichen Straßenverkehr werden. Das zukunftsträchtige Gefährt wird durch ein Joint Venture des Konzerns aus Herzogenaurach und des Spezialisten für Behindertenfahrzeuge aus Pfronstetten-Aichelau realisiert. Die neue Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG präsentiert sich bei den Reutlinger Mobilitätstagen mit innovativer Technik für die Fortbewegung der Zukunft.

Den Mover zeigte Schaeffler bereits im Januar bei der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Ex-Rennfahrer Nico Rosberg bewegte als neuer Markenbotschafter für den fränkischen Weltkonzern das innovative Gefährt medienwirksam auf einem Testparcours von nur sieben mal sieben Metern. Das äußerst wendige Kleinfahrzeug kann sich auf der Stelle um 360 Grad drehen, seitlich parallel einparken und je nach Aufbau Menschen oder Material transportieren. Eine Technik namens Intelligent Corner Module macht einen Radeinschlag von 90 Grad möglich. Für technisch Versierte: Vier Intelligent Corner Module vereinen jeweils Radnabenmotor, Radaufhängung inklusive Federung und den Aktuator (Motor) für die elektromechanische Lenkung, was den rechtwinkligen Radeinschlag möglich macht.

Foto: Markus Niethammer
Foto: Markus Niethammer

Behindertenfahrzeugbau

Dieser Schaeffler Mover soll nun mit dem von Paravan entwickelten Drive-by-Wire-System namens Space Drive bestückt werden – einer Steuerungstechnologie, die aus dem Behindertenfahrzeugbau stammt und eine mechanische Lenksäule überflüssig macht. Das Lenkrad – oder je nach Vorliebe ein Joystick – ist nur noch per Kabel mit dem Lenkgetriebe verbunden. Die Steuereinheit Space Drive gibt elektronische Signale weiter – also von den Befehlen des Fahrers, seinem Druck auf das Gaspedal oder die Bremse, vom Lenkrad oder Joystick weiter auf einen redundanten Servomotor, der das Lenkgetriebe steuert. Somit werden die Räder entsprechend der Signale bewegt. Auf diese Weise kann Space Drive auch Gas und Bremse steuern – ein Resultat der jahrzehntelangen Erfahrung beim Umbau von Fahrzeugen für Menschen mit Bewegungseinschränkungen, die Paravan zum Weltmarktführer in diesem Bereich machte.

S pace Drive kann auch die Signale von Fahrassistenzsystemen oder künstlicher Intelligenz (KI) verarbeiten. Egal, ob sie mit Kameras, Radar oder anderen Sensoren arbeiten: Die Steuerungseinheit Space Drive bietet eine offene Schnittstelle für alle möglichen Systeme verschiedenster Hersteller. Deshalb arbeiten namhafte Automobilunternehmen wie Daimler, Audi oder BMW seit Jahren mit Paravan zusammen – und jetzt mit dem Joint Venture Schaeffler Paravan .

Schlüsseltechnologie

Besonders interessant für die Industrie an Space Drive ist neben der Fahr- und Bremsbetätigung vor allem die sogenannte Steer-by-wire-Funktion (wörtlich übersetzt: Lenken-via-Kabel). Sie ermöglicht die Spurführung eines Fahrzeugs zuverlässig und rein über elektronische Stellsignale. Das Lenkrad und die mechanische Verbindung der Lenksäule können also auch vollständig entfallen. Das Fahrzeug fährt automatisch – wie von Geisterhand.

Damit ist Steer-by-wire eine Schlüsseltechnologie für das Autonome Fahren. Und Space Drive ist das erste straßenzugelassene Drive-by-Wire-System weltweit. Noch ein Pluspunkt, der es für die Industrie in puncto Autonomes Fahren interessant macht – wie für die Schaeffler-Gruppe, dem börsennotierten Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie in Familienhand. Als sich deren Vorstände vergangenes Jahr mit dem Geschäftsführer des Familienunternehmens Paravan auf der Schwäbischen Alb, Roland Arnold, auf das Joint Venture verständigten, wurde die Weiterentwicklung des Autonomen Fahrens zum Ziel gesetzt – unter dem Dach der neuen Firma. Der Behindertenfahrzeugbau bleibt der Paravan GmbH erhalten.

Ein Versuchsfahrzeug mit Joystick und wahlweise Lenkrädern samt Steuerungstechnik für Autonomes Fahren auf dem Testgelände von P
Ein Versuchsfahrzeug mit Joystick und wahlweise Lenkrädern samt Steuerungstechnik für Autonomes Fahren auf dem Testgelände von Paravan in Pfronstetten-Aichelau. FOTO: NIETHAMMER
Ein Versuchsfahrzeug mit Joystick und wahlweise Lenkrädern samt Steuerungstechnik für Autonomes Fahren auf dem Testgelände von Paravan in Pfronstetten-Aichelau. FOTO: NIETHAMMER

Fünf Level zur Autonomie

Der Weg zum Autonomen Fahren wird in fünf Level eingeteilt – fünf für volle Automation ohne Fahrer an Bord. »Level drei – bedingte Automation – wird aktuell von vielen Fahrzeugherstellern angestrebt«, sagt Rolf Gramenske, Schaeffler-Paravan-Projektleiter für die Space Drive Technologie, »dieser ist allerdings nicht redundant.«

Im Gegensatz zu Space Drive, das System ist dreifach redundant – soll heißen, dreifach abgesichert: Die zentrale Steuerungseinheit kann auf drei voneinander unabhängige Datenströme zugreifen, um das Fahrzeug zu steuern.

Der Projektleiter vergleicht es mit der Luftfahrt. »Somit sprechen wir von einem Fail safe und Fail operational System, das im Fehlerfall trotzdem sicher weiter funktioniert. Die volle Kontrolle ist gewährleistet.«

Während also viele Hersteller noch mit Level drei beschäftigt sind, ist Space Drive schon viel weiter: »Das Design- und Sicherheitskonzept zur Ansteuerung und Kontrolle von Gas, Bremse und Lenkung ist bereits für Level fünf – volle Automation – ausgelegt«, erklärt der Experte. »Nur die Umfelderkennungssysteme sind noch nicht ganz so weit. Deshalb muss der Fahrer derzeit noch in der Lage sein, die Kontrolle jederzeit zu übernehmen.«

Mehr als eine Milliarde Straßenkilometer und knapp 20 Jahre Erfahrung machen Space Drive bereits jetzt zu einem sicheren System, das für Level fünf tauglich ist. »Ursprünglich wurde es für gehandicapte Fahrer entwickelt, die nicht einfach mal in das Lenkrad greifen oder auf die Pedale treten können«, erläutert der Projektleiter.

Einfluss auf zukünftiges Design

Die Entwicklung hat Auswirkungen auf die Optik: »Der Wegfall der mechanischen Lenksäule und das autonome Fahren werden Einfluss auf das zukünftige Fahrzeugdesign haben, auf Innenraum- und Einstiegskonzepte«, ist Gramenske überzeugt. Diese Zukunft gehört den Designern.

Bei den Reutlinger Mobilitätstagen will Schaeffler-Paravan in der Stadthalle ein virtuelles Fahrzeug mit innovativer Steuerungstechnik präsentieren. Und vor der Halle wird ein Versuchsfahrzeug stehen, in dem Besucher ein Gefühl für die Technik des Autonomen Fahrens bekommen können – bei einer Probefahrt, gesteuert mithilfe eines Joysticks oder eines digitalen Lenkrads. (GEA)