REUTLINGEN. Sie machen die Krise erträglicher: Bereits mehr als 1000 Menschen haben sich als freiwillige Helfer bei der Reutlinger Einkaufshilfe gemeldet. In der vergangenen Woche hätten sich alleine über das neue Onlineformular 300 Menschen eingetragen, berichtet Anke Bächtiger von der Stabsstelle Bürgerengagement, die die Einkaufshilfe zusammen mit Kollegen koordiniert. Viele Reutlinger möchten andere Bürger, die zu einer Risikogruppe gehören, tatkräftig unterstützen. »Die Bereitschaft zu helfen, ist ganz groß. Wir kriegen tolle Rückmeldungen von beiden Seiten«, erzählt sie. Die Nachfrage von Hilfsbedürftigen ziehe allmählich an, nachdem die Anfragen in den ersten Tagen nur zögerlich eingegangen seien.
Anke Bächtiger fürchtet, dass die Einkaufshilfe noch nicht jedem in Reutlingen bekannt ist. »Vieles wird auch direkt in der Nachbarschaft abgedeckt«, hat sie beobachtet. Für Menschen, die sich kennen, ist es ein Leichtes, mal eben nebenan anzuklopfen und nachzufragen, ob etwas gebraucht wird aus dem Supermarkt oder der Apotheke. »Aber es gibt auch Menschen, die froh sind, wenn das jemand für sie organisiert.« Bedarf sieht sie auch, weil derzeit viele Kranke frühzeitig aus der Reha oder dem Krankenhaus entlassen würden. »Die brauchen Hilfe.«
In der Stabsstelle Bürgerengagement ist Bächtiger derzeit mit einer Kollegin damit beschäftigt, Kontakte herzustellen und Fragen zu beantworten. »Bei den Älteren gibt es viele Ängste«, sagt sie. Mit denen wird auf der Plattform der Stadt niemand alleine gelassen. Die meisten, die sich über das Hilfsangebot informieren wollen, rufen an und kriegen Auskunft am Telefon, bevor sie ihre Kontaktdaten durchgeben. Diejenigen, die helfen wollen, werden gebeten, das Onlineformular auszufüllen. Die Mitarbeiter der Stabsstelle suchen dann Helfer, die in der Nähe der Hilfesuchenden wohnen. Die Abläufe – zum Beispiel wie das mit der Bezahlung funktioniert – sind ganz klar geregelt. Oft legen die Einkäufer das Geld aus und die Empfänger überweisen die Summe per Onlinebanking.
Alles klar geregelt
Ziel ist, dass die beiden Partner für die nächste Zeit eine stabile Verbindung aufbauen und keinen Vermittler mehr brauchen. »Ich glaube, dass so auch langfristig neue Nachbarschaftsbeziehungen entstehen«, sagt die Koordinatorin.
Sabine Lehmkühler von den Betzinger Seniorenpaten ist es wichtig hervorzuheben, dass unter den Freiwilligen auch viele junge Menschen sind: »Es gibt da nicht nur die Verantwortungslosen, sondern viele, die da sind für andere.« Gerade Menschen, die sonst in Ehrenämtern wenig in Erscheinung treten, sehen jetzt eine Chance, sich zu engagieren: die Jüngeren, die mitten in der Familien- und Berufsphase stehen, die jetzt im Homeoffice sind, oder durch Kurzarbeit oder die Kinderbetreuung gezwungen, beruflich einen Gang runterzuschalten. Bächtiger sieht in der Krise auch eine Chance, »das Miteinander zu fördern«.
Noch sei die Hemmschwelle, Hilfe anzunehmen, recht groß. Sie hoffe, dass die bald abgebaut sein wird. Oft höre sie das Argument: »Einkaufen können wir doch noch alleine.« Dabei gehe es darum, unnötige Risiken zu vermeiden. (ele)
SO FUNKTIONIERT’S:
Wer Hilfe bekommt: Wie das praktisch geht: Die Bezahlung Die Fahrtkosten