REUTLINGEN/FRANKFURT. Um keine rassistischen Stereotype zu bedienen, sollen Standbetreiber auf dem Weihnachtsmarkt in Frankfurt am Main Kakao-Getränke mit Rum unter anderem Namen anbieten. Der bisher häufig verwendete Name »Lumumba« könne an den kongolesischen Freiheitskämpfer Patrice Lumumba erinnern, sagte eine Sprecherin der Frankfurter Tourismus und Congress GmbH. Kritiker der Bezeichnung sehen eine Verhöhnung darin, dass ein Getränk »mit Schuss« den Namen eines Mannes trägt, der in den 60er Jahren erschossen wurde.
Den Standbetreibern sei dringend empfohlen worden, das Getränk stattdessen auf ihren Schildern beispielsweise als »Heiße Schokolade mit Rum« zu bezeichnen, sagte die Sprecherin. Noch seien nicht alle Schilder auf dem Weihnachtsmarkt ausgetauscht worden. Teilweise seien sie aufwendig gestaltet und könnten nicht ohne weiteres ersetzt werden. Man sei aber zuversichtlich, dass der Appell an die Standbetreiber ausreiche.
"Kakao mit Schuss" für einen erschossenen Politiker ist eine Geschmacklosigkeit"
Rezepte für einen »Lumumba heiß« oder einen »Lumumba kalt« (aus Brandy, kaltem Kakao und Obers) kursieren seit den frühen 1960er-Jahren. Damals galt der schwarze Politiker Lumumba unter Belgiens Kolonialisten – und über dieses Land hinaus – als Hasssymbol für AfrikanerInnen, die nach Unabhängigkeit strebten. Laut Kennern der Materie war es demnach wohl Rassismus, der dazu führte, dass die Mischung aus Kakao und Brandy/Rum, die es schon lang davor gegeben hatte, in »Lumumba« umgetauft wurde – und auch spöttische farblich-assoziative Gründe könnten eine Rolle gespielt haben. Später tauchte der Drink unter seinem neuen Namen dann in der Linken auf, sozusagen mit solidarischem Beiklang.
Patrice Émery Lumumba (1925 – 1961) war erster sozialistischer Präsident der zentralafrikanischen Demokratischen Republik Kongo nach deren Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Belgien, bevor er 1960 mit US-Unterstützung weggeputscht und kurz darauf von seinen Widersachern ermordet wurde.
Der kongolesische Freiheitskämpfer Patrice Lumumba. FOTO: WIKIPEDIA
»Die Bezeichnung des Getränks ist rassistisch«, teilt die frühere Historikerin Annalena Schmidt auf X mit. Für Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland steht in der Diskussion jedoch ein anderer Punkt im Vordergrund: »Eine zentrale Figur des Widerstands gegen Kolonisierung und Rassismus wird hier auf ein Getränk reduziert.«
»Eine zentrale Figur des Widerstands gegen Kolonisierung wird hier auf ein Getränk reduziert«
Dieses Vorgehen löse bei schwarzen Menschen erheblichen Unmut aus, da sie dadurch zu bloßen Objekten herabgewürdigt würden. Es sei jedoch schwierig, auf dieses Problem aufmerksam zu machen, da viele Leute in Deutschland die zugrundeliegende Geschichte nicht verstehen würden. Der Historiker Jürgen Zimmerer meldete sich auf X zu Wort. "Kakao mit Schuss" für einen erschossenen Politiker ist (zudem) eine Geschmacklosigkeit sondergleichen", postete der Professor an der Universität Hamburg auf dem Kurznachrichtendienst. Wohl ebenfalls geschmacklos, aber nicht rassistisch ist die norddeutsche Bezeichnung für das Heißgetränk. Insbesondere in Nordfriesland ist Kakao mit Schuss als "Tote Tante" geläufig.. Diese Bezeichnung geht auf eine Legende von der Insel Föhr zurück, nach der die Urne mit der Asche einer in Amerika verstorbenen Föhrerin in einer Kakaokiste auf die Insel zurückgekehrt sein soll.
Recherchen des GEA auf dem Reutlinger Weihnachtsmarkt ergaben, dass man das Getränk in der Achalmstadt zwar bestellen kann und auch erhält, dass es auf den Schildern jedoch unter anderen Namen angepriesen wird – unter anderem in der Variante mit Jägermeister als »Geiler Elch«. (dpa/GEA)