REUTLINGEN. Es gibt Zufälle, die glaubt einem keiner. Bis gerade eben hat Bruno Ruess als kaufmännischer Geschäftsführer der GWG Wohnungsgesellschaft Reutlingen im Hausflur Fragen zum Thema Aufzug beantwortet, da öffnet sich die Türe des nagelneuen Lifts im Hochhaus an der Humboldtstraße 11. Heraus kommen ebenso unabgesprochen wie überraschend Kathrin Bindemann und ihr Partner Eberhard Benz. Genau dieser Dame haben Höhenretter mit Herz der Feuerwehr Reutlingen im August aus dem achten Stock auf den Boden geholfen, weil der Aufzug wochenlang saniert werden musste. Jetzt funktioniert wieder alles, wie es soll. Es es das Happy End einer Aufzugsgeschichte, die Tausende bewegt und manche zu Fragen angeregt hat, wie die GWG das generell handhabt mit den Liften in ihren Gebäuden.
Unvergessen ist das, was sich in den frühen Morgenstunden eines sonnigen Samstags hier abgespielt hat: Weil der Aufzug insgesamt sechs Wochen lang erneuert werden muss, kommt die im Rollstuhl sitzende Kathrin Bindemann nicht aus ihrer Wohnung im achten Stockwerk. Drei Wochen lang bleibt sie brav in den vier Wänden, dann aber möchte sie auf keinen Fall die Abfahrt in diesen einen und einzigen Jahresurlaub verpassen. Deswegen organisiert sie mithilfe ihrer Freundin Gabriele Janz und vielen anderen lieben Menschen, auch GWG Vorstand sowie Abteilungsleiter der Bestandsverwaltung Jürgen Röhm, und hauptsächlich der Höhenrettungsgruppe der Feuerwehr Reutlingen diese spektakuläre Transportaktion. Wochen später geht Ruess das Thema Aufzug durch.
Zunächst ist festzustellen, dass die GWG Wohnungsgesellschaft mit einer überschaubaren Anzahl von Lifts in ihren Gebäuden zu tun hat. »Nicht so viele« seien es, sagt der kaufmännische Geschäftsführer, »denn in früheren Jahren hat man wegen der Betriebskostenersparnis auf Aufzüge verzichtet«. Im Durchschnitt koste ein Aufzug »30 Euro monatlich pro Mieter«, was sich als Posten auf der Nebenkostenabrechnung wiederfinde. »Die Leute zahlen gerne für Bequemlichkeit«, sagt Ruess. Gerade in Zeiten einer alternden Gesellschaft würden aus Gründen der Barrierefreiheit in Neubauten meistens Aufzüge eingebaut.
Pressesprecherin Michelle Gruszka nennt »60 Aufzüge in der Wohneigentümerverwaltung«. Gemeint sind damit jene von der GWG verwalteten Immobilien, in denen die Wohnungen eben Eigentumswohnungen sind. Auch im 1970 erbauten Hochhaus an der Humboldtstraße gehören die Apartments des Blockes mit den Hausnummern 11 und 13 nicht der Wohnungsgesellschaft. Deswegen ist die Eigentümerversammlung gefragt, wenn es um Aufzüge geht. Was zu tun ist, schreibt allerdings der TÜV vor.
»Der TÜV nimmt Aufzüge jährlich ab. Das Ergebnis entspricht vereinfacht gesagt etwa der Hauptuntersuchung bei Automobilen«, sagt Ruess. Eine Anlage kann demnach keine oder eben erhebliche Mängel aufweisen. Dann gibt's je nachdem entweder eine neue Plakette in der Aufzugskabine – oder die Prüfung ist nicht bestanden. Das wäre das Betriebsende für jeden Lift. Falls also der TÜV etwas kritisiert, wird bei der GWG sofort gehandelt. »Dann kommt die entsprechende Fachfirma zur Reparatur«, beschreibt Ruess das Verfahren. Die Experten schauen sich bei jeder Gelegenheit auch den Gesamtzustand der Technik an und geben entsprechende Empfehlungen ab.
GWG: Abhängig von Fachfirma
»Ein neuer Aufzug in der Humboldtstraße war fällig«, erklärt Ruess. Die Eigentümerversammlung stimmte den notwendigen Arbeiten zu. »Der Beschluss wurde im Jahr 2022 gefasst. Hierzu gab es noch Nachverhandlungen. Im Jahr 2023 wurden weitere Kosten mit einer Nachgenehmigung beschlossen. In der Regel dauert dies nicht so lange«, beschreibt Pressesprecherin Gruszka den Ablauf. Die GWG holte als Verwalter drei Angebote ein.
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Den Zuschlag erhielt TK Elevator (früher: thyssenkrupp Aufzüge). Wie bei allen anderen Handwerkern oder Dienstleistern war die Terminsuche ganz einfach: Entweder, man folgt dem Vorschlag des Fachbetriebes, oder wartet eben noch länger.
»Wir versuchen so etwas zu planen, wenn möglichst viele im Urlaub sind. Aber wir sind natürlich auch von der Fachfirma abhängig«, sagt Ruess. Jedenfalls sind alle im Hochhaus nicht nur mit dem Einbau des neuen Aufzuges einverstanden gewesen, da sie ihn selbst beschlossen haben, sondern kannten ebenso die Termine für die Arbeiten. Wieso gleichzeitig sowohl der Lift der Hausnummer 11 als auch der für die Hausnummer 13 im selben Gebäudeblock erneuert wurden, liegt simpel an der Kosten- und Zeitersparnis. Handwerker, die zweimal kommen, kassieren dafür mehr.
Insgesamt hat die Aufzugssanierung pro Lift rund 170.000 Euro gekostet. Dafür ist jetzt nicht nur die Technik tipptop, sondern auch die Kabine nagelneu, mit digitaler Anzeige und einem schicken gelben Notrufknopf. Wer den drückt, kann mit zügiger Hilfe rechnen. »Bei Personeneinschluss muss ab Meldung innerhalb einer Stunde eine Befreiung stattfinden«, sagt Gruszka. Bei Störungen hat die Firma 24 Stunden Zeit, einen Monteur vor Ort zu schicken. Aber daran denkt jetzt erst mal niemand, denn nach den Worten von Ruess »hält ein Aufzug in der Regel 40 Jahre«.
Bleibt nur noch eine Frage offen: Wie war der Frankreichurlaub von Kathrin Bindemann und Eberhard Benz? »Optimal«, sagt die strahlende Dame bei der Zufallsbegegnung. Immer noch ist das Paar hingerissen von der Höhenretter-Aktion, »die habe ich wie einen Traum erlebt«. Den neuen Aufzug im Hochhaus findet Bindemann wunderbar. (GEA)