REUTLINGEN. Nach der ersten Infektionswelle ist noch nicht alles beim Alten in den Kreiskliniken. Das Wiederhochfahren braucht Zeit und erfordert eine Menge Organisation, berichtete Dr. Dieter Mühlbayer, Leiter des Instituts für Labordiagnostik und Krankenhaushygiene, dem Kreistag in einem Livestream.
Die höchste Belastung gab es Mitte April, als 53 Covid-19-Patienten gleichzeitig in den Kreiskliniken stationär behandelt werden mussten. Im Moment sind es noch zwei Personen. 41 Infizierte gab es bisher innerhalb der Belegschaft, alle sind wieder wohlauf. Insgesamt wurden 200 Betten vorgehalten, die in der ersten Welle zum Glück nicht gebraucht wurden. Aber: »Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pandemie-belasteten Bereichen sind physisch und mental ausgepowert und deutlich erholungsreif«, berichtet Mühlbayer. Derzeit sind die Kreiskliniken erst wieder bei rund 60 Prozent Auslastung. Ein Grund dafür sei vermutlich, dass ängstliche Patienten Krankenhausaufenthalte aus Sorge vor Infektionen noch aufschöben. Diese Sorge sei aber unbegründet. Schon vor der Coronakrise »war in vielen Kliniken des Landes kein Wachstum der Patientenzahlen im stationären Bereich mehr zu verzeichnen«, sagte Mühlbayer. Wie weit der Staat die Einbußen durch stillgelegte Betten ausgleichen werde, sei noch unklar.
Das Virus werde auch im Sommer nicht komplett verschwinden, vermutet der Mediziner. Eher gebe es die Gefahr, dass gegen Jahresende eine Grippewelle und eine zweite Corona-Infektionswelle zusammenfallen. Er rate daher dringend zur Grippeimpfung.
Wie sinnvoll sind Antikörpertests? Diese Frage kam aus den Reihen der Kreisräte. Dr. Gottfried Roller, Leiter des Kreisgesundheitsamts, hält sich an die Position des Robert-Koch-Instituts: Danach könne man noch nicht sagen, ob die auf dem Markt erhältlichen Tests wirklich zuverlässige Ergebnisse liefern. Roller hält flächendeckende Antikörpertests außerhalb wissenschaftlicher Studien daher derzeit nicht für sinnvoll. Ein positiver Antikörper-Test sage noch nichts darüber aus, ob und wie lange jemand gegen eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus immun sei, fügte Dieter Mühlbayer hinzu.
Keinen Anstieg der Fälle während der Krise verzeichnet das Kreisjugendamt bei häuslicher Gewalt. Allerdings könne das bei Kindern und Jugendlichen damit zusammenhängen, dass Meldungen aus den Reihen des Erziehungspersonals wegfielen, weil Kitas und Schulen geschlossen waren, sagte Reinhard Glatzel, Leiter des Kreisjugendamts. (GEA)