REUTLINGEN. Ein Strauß Tulpen, frisch geschnitten auf dem Gehweg abgelegt, nach einem Schwätzchen entgegengenommen, in die Vase verfrachtet und schnell wieder die Hände desinfiziert, ein Gruß über die Hecke – nichts Ungewöhnliches, aber zurzeit wichtiger denn je. Der Lebenswert-Besuchsdienst geht neue Wege, um die Kontaktsperre zu »durchbrechen«: So musizieren und singen Ehrenamtliche am Abend vor mehreren Pflegeheimen und freuen sich, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner an den Fenstern stehen und winken. Ein Telefondienst für Menschen, die allein sind, wurde organisiert und so kommen immer wieder Menschen per Telefon zusammen, die sich vorher nicht kannten. Eine über 90-jährige Frau bat nach einigen Tagen, dass ihre Telefonpartnerin doch einmal vorbei kommen solle. Sie wolle sehen, wer hinter der inzwischen vertrauten Stimme stecke. Zwischen Garten und Balkon wanderten dann lächelnde Blicke hin und her.
Da sich alle Gruppen derzeit nicht mehr treffen können, werden auf einmal in vielfältiger Weise digitale Medien genutzt und man kommuniziert auf andere Weise über Gott und die Welt und erlebt dabei Nähe – mit Abstand.
Um 19 Uhr gehen in mehreren Straßen die Fenster auf, Menschen stehen auf den Balkonen, winken sich gegenseitig zu, fragen über die Brüstung hinüber, wie es geht, und lauschen gemeinsam den Kirchenglocken. In der Kreuzkirche wird gleichzeitig die Osterkerze angezündet.
Gemeinschaft schaffen
Dann hört man ein Klavier auf dem gegenüberliegenden Balkon, das Saxofon nebenan stimmt ein und alle Anwesenden lassen »Der Mond ist aufgegangen« zwischen den Häusern, in die Gärten und durch die Straßen klingen. Zufällige Spaziergänger kommen vorbei, bleiben in sicherer Entfernung stehen, singen mit.
So wird lebenswerte Nachbarschaft gepflegt. Man sieht sich, kennt sich, fragt nacheinander oder hilft sich. Einkäufe werden von Jungen für Ältere erledigt. Seit Neustem rattern die Nähmaschinen. Nachbarn nähen Mundschutz für die Einrichtungen im Quartier. Inzwischen konnten 300 Schutzmasken an die Bruderhaus-Diakonie, an den Diakonieverband und an die RAH-Pflegeheime im Wohngebiet weitergegeben werden. Der Stoff wurde vom Nähstüble gespendet.
Seit vielen Jahren vernetzt die Plattform Lebenswert die Menschen im Wohnquartier Ringelbach, Georgenberg und Lerchenbuckel. Ermuntert sie zu guter Nachbarschaft. Obwohl das Coronavirus zu Abstand zwingt, schafft Lebenswert Gemeinschaft. Jede Idee, die hilft, wird ausprobiert.
Mimi Böckmann, Koordinatorin von Lebenswert, ist per Mail unter info@lebenswert-ringelbach.de oder per Telefon (07121 2419062) erreichbar. Menschen, die helfen wollen, treffen auf Menschen, die angerufen werden wollen oder die jemanden brauchen, der für sie einkauft. Und es gibt Menschen, die eine Idee haben, was man noch auf die Beine stellen könnte. Zahlreiche Termine und Aktionen sind auf der Homepage zu finden. (eg)