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Kirchengemeinderäte beziehen Stellung zur Missbrauchsdiskussion in der katholischen Kirche

Kirchengemeinderäte äußern sich zur Missbrauchsdiskussion in der katholischen Kirche

Betroffenheit und Kritik. Kirchengemeinderäte beziehen Stellung in  der Diskussion  über sexuellen  Missbrauch in der katholisch
Betroffenheit und Kritik. Kirchengemeinderäte beziehen Stellung in der Diskussion über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Bernhard Bosold, Dr. Stefan Steinert, Gabriele Derlig, Jürgen Ziermann. FOTO: TOMAN-BANKE
Betroffenheit und Kritik. Kirchengemeinderäte beziehen Stellung in der Diskussion über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Bernhard Bosold, Dr. Stefan Steinert, Gabriele Derlig, Jürgen Ziermann. FOTO: TOMAN-BANKE

REUTLINGEN. Wenn die größte katholische Kirchengemeinde in Reutlingen zum Fest ihres Namenpatrons St. Lukas einlädt, dann feiern auch immer viele Menschen den Festgottesdienst mit. Sie hören den feierlichen Chor, lassen sich von Worten der Predigt inspirieren und genießen das gemeinsame Miteinander.

Dennoch gab es am vergangenen Sonntag im Anschluss Raum und Zeit für ernste Worte über ein Thema, »das viele bewegt, die im Herzen Christ sein möchten«, wie Pfarrer Matthias Dangel die Statements des Kirchengemeinderates zur Missbrauchsdiskussion in der katholischen Kirche einleitete. In seiner Klausurtagung hatte das Gremium beschlossen, dieses brennende Thema nicht nur aufzugreifen, sondern auch gerade beim Namensfest dazu Stellung zu beziehen: »Wir wollen nicht schweigen, sondern offen sprechen«, sagte Bernhard Bosold als Zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderats.

Gabriele Derlig, die seit 2005 als Vertreterin des Diözesanrates der Missbrauchskommission der Diözese Rottenburg-Stuttgart angehört, bezeichnete den Missbrauch als schlimmstes Vergehen an Kindern, das viele Betroffene auch Jahre später noch nicht zur Ruhe kommen lasse. »Sexueller Missbrauch ist keine einzelne moralische Verfehlung, sondern ein Verbrechen, dem nachgegangen werden muss.«

Dr. Stefan Steinert zeigte den Vertrauensverlust auf, den die Kirchen nicht nur bei Betroffenen erfahren hätte. Das Verhalten der Institution Kirche – das jahrelange Schweigen, die Vertuschung der Straftaten, das Zurückhalten von Ergebnissen – lässt viele Menschen die Kirche verlassen. »Viele sind auf der Suche nach einer spirituellen Heimat, können sie in der Kirche aber nicht mehr finden. Das macht mich sehr traurig.« Die Kirchengemeinderäte machten keinen Hehl aus ihrer persönlichen Betroffenheit und übten offen Kritik an dem geschlossenen System der Kirche.

Jürgen Ziermann forderte systematische Vorgehen zur Lösung der Probleme fast nach technischem Vorbild. Als Ansätze nannte er die Aufteilung von Machtstrukturen, einer Überprüfung der Entscheidungen nach einem Vier-Augen-Prinzip und die Beteiligung von kirchenexternen Leuten. Ziermann bezog sich dabei auf die Äußerungen des Stuttgarter Stadtdekans Christian Hermes. Auf keinen Fall dürften diese Lösungsansätze wieder in der Schublade verschwinden.

Mut zahlt sich aus

Auch für Gabriele Derlig reicht bloße Bekundung zur Besserung nicht mehr aus. Es müsse gehandelt werden. Als positives Beispiel nannte sie die bischöfliche Stabsstelle Prävention, die in der Diözese schon 2015 gebildet worden sei und nach einer Präventionsordnung handele. Das sollte auch in anderen Diözesen passieren. Eine offene und ehrliche Kommunikation, das wünschte sich Dr. Steinert. »Ein christliches und ehrliches Miteinander, wie wir es hier in der Kirche vor Ort finden.« Die Reaktionen und die Gespräche der Kirchenbesucher beim anschließenden Stehempfang zeigten, dass sich der Mut des Kirchengemeinderats zur Offenheit ausgezahlt hatte und auch ernste Worte bei einem Fest ihre Berechtigung haben können. (mto)