REUTLINGEN. In Schottland müssen Tampons und Binden per Gesetz in allen öffentlichen Einrichtungen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Auch deutsche Städte, darunter Heidelberg und Tübingen, stellen Damenhygieneartikel aktuell kostenlos zur Verfügung. Reutlingen unternimmt in dieser Hinsicht nichts. Aus Sicht einer Frau ist das schon ärgerlich genug, richtig wütend macht aber die Begründung.
Die Stadt behauptet, kein Geld für diese Produkte zu haben. Doch das stimmt nicht. Geld hat sie nämlich schon. Beispielsweise für Seife, Toilettenpapier und Handtücher. Für Tampons und Binden WILL sie einfach nichts ausgeben, weil die Beschaffung dieser Dinge offensichtlich nicht zu ihren »Pflichtaufgaben« zählt. Damit macht die Stadt klar, dass sie den Toilettengang als alltäglichen Vorgang ansieht, die Periode hingegen nicht.
Genau dieser Art von Denken hat dazu geführt, dass sich junge Mädchen und Frauen für die Menstruation schämen. Dass sie in der Schule, im Verein oder bei der Arbeit Tampons in der Hosentasche auf die Toilette schmuggeln. Wenn Damenhygieneartikel zum Standard-Toiletten-Inventar gehören würden, hätte das enorme Symbolkraft. Es würde signalisieren, dass es normal ist, einmal pro Monat zu bluten. Gleichzeitig würde man die finanzielle Ungerechtigkeit, die das Frausein mit sich bringt, zumindest etwas ausgleichen.
Wie die Nachbarstadt zeigt, wäre das Brechen eines Tabus und ein Stückchen mehr Gleichberechtigung für rund 10.000 Euro kaufen. Wenn das bei der momentanen Haushaltslage nicht drin ist, könnte man aber auch deutlich günstiger mit ein oder zwei Standorten in der Reutlinger Altstadt zumindest einen Anfang machen. Würde man nur wollen. Dass darüber gar nicht gesprochen wird, zeigt klar, wo die Prioritäten liegen.