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Aktuell Ehrenamt

Diese Frauen engagieren sich noch mit über 70 für die Reutlinger Tafel

Beide haben es im Griff: Hanne Mader (links) und Heidemarie Hipp arbeiten ehrenamtlich bei der Reutlinger Tafel.  FOTO: KNAUER
Beide haben es im Griff: Hanne Mader (links) und Heidemarie Hipp arbeiten ehrenamtlich bei der Reutlinger Tafel. FOTO: KNAUER
Beide haben es im Griff: Hanne Mader (links) und Heidemarie Hipp arbeiten ehrenamtlich bei der Reutlinger Tafel. FOTO: KNAUER

REUTLINGEN. Niemand wird vom Ruhestand überrumpelt. Wann mit dem Arbeitsleben Schluss ist, weiß man. Und dann? Viele Menschen, die sich jahrelang auf ihr Rentnerdasein gefreut haben, fallen nach einer gewissen Zeit des schönen Nichtstuns in ein Loch. Gedanken dieser Art kommen auf: »Keiner braucht mich mehr. Jeder Tag verläuft gleich ab. Mit wem habe ich denn doch Kontakt? Bin ich jetzt, als Senior oder Seniorin gar nicht mehr gefordert?« 

Andere wiederum treibt’s im Ruhestand durchaus noch um. Heidemarie Hipp und Hanne Mader, beide aus Reutlingen und Anfang 70, sind bei der Reutlinger Tafel im Ehrenamt tätig. Wir treffen sie an einem Donnerstagmorgen, früh um 9 Uhr – natürlich sind beide längst in Aktion. 

Viele aktive Ältere 

Die Reutlinger Tafel in der Gustav-Wagner-Straße 7 steht unter der Trägerschaft des Diakonieverbands Reutlingen. Viele ältere Menschen bringen sich dort unentgeltlich ein. Es gibt Fahrer, die Lebensmittel in den Geschäften abholen. Aber auch Ansprechpartner direkt im Laden – dazu zählen unsere Interviewpartnerinnen.

Heidemarie Hipp ist ein wenig überrascht, dass sie in der Zeitung erscheinen soll. Aber erstaunlich flexibel. Wir ziehen uns in die Mitarbeiterküche zurück und sie lässt erst einmal einen schönen Cappuccino aus dem Kaffevollautomaten. Kollegin Hanne Mader, die einmal die Woche mithilft, gesellt sich hinzu.

"2015 kam ich in Rente. Nach vier Wochen war es mir schon langweilig", berichtet Heidemarie Hipp, die früher als Kauffrau in der allgemeinen Verwaltung gearbeitet hat. "Und da rief ich einfach mal an und wurde genommen. "Ich bin in einer Großfamilie aufgewachsen", berichtet sie weiter. Mit einem "Bei uns musste man teilen und konnte nicht nur auf sich selbst schauen, das war ganz normal", begründet sie ihr soziales Engagement.

Sie und Hanne Mader leben beide alleine, denn ihre Ehemänner sind bereits verstorben. »Jetzt hast du 46 Jahre lang geschafft, warum tust du dir das noch an?« wurde Hanne Mader schon in ihrem Freundeskreis gefragt. Sie war früher Urkundsbeamtin beim Amtsgericht und ist jetzt noch einmal die Woche bei der Tafel aktiv.

Am Tag zuvor war sie bis spät in der Nacht bei »Lord of the Dance« in Stuttgart, wohl wissend, dass der Wecker am nächsten Tag um 6 Uhr rappelt – wenn die ehrenamtliche Arbeit ruft. Aber das gibt Struktur und hält fit.

Enkel? Fehlanzeige bei beiden. Aber sie nehmen es mit Humor. »Leider nein, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf«, entgegnet Heidemarie Hipp schlagfertig. Und bei Hanne Mader kommen allenfalls Großneffen zu Besuch. 

Mit wachen Augen 

Beide Gesprächspartnerinnen entsprechen schon optisch nicht dem Klischee von Seniorinnen: Heidemarie Hipp trägt eine kesse lange Strähne zum Kurzhaarschnitt, Hanne Mader ist leicht geschminkt. Und den wachen, blauen – respektive braunen Augen – entgeht nichts. Bei dieser Arbeit müssen die beiden durchaus auch mal resolut auftreten: »Jeder will hier der Erste sein«, erzählt Heidemarie Hipp. »Aber das geht gar nicht. Also verteilen wir Nummern.« Die Menschen, die die Tafel nutzen, da dort Lebensmittel zu sehr günstigen Konditionen verkauft werden, stammen aus aller Herren Länder – mehr als 45 Nationalitäten sind vertreten. Viele könnten kein Deutsch sprechen oder lesen.

»Ich will Chef sprechen«, bekommt Heidemarie Hipp auch mal zu hören, da Frauen nicht immer akzeptiert würden. Man muss also mit Frust umgehen können, denn so mancher Tafelgast verwechsle die Anlaufstelle mit dem Supermarkt, wo es nur volle Regale mit allem Gewünschten gibt.

»Wo Fleisch?«, heißt es auch öfter, wenn es gerade nur noch Gemüse gibt. »Die Tafel ist ja nur unterstützend«, beteuert sie und den Bedürftigen sei auch nicht bewusst, dass sie und viele Mitstreiter ehrenamtlich tätig seien. Andererseits hört sie zur Begrüßung auch schonmal ein »Guten Morgen Mama« aus der Schlange von 130, 140 Wartenden. Zweimal die Woche geht Heidemarie Hipp zudem morgens in einer Einrichtung der Bruderhaus Diakonie arbeiten, wo sie das Frühstück herrichtet. 

Auch noch Hobbys 

Die älteren Menschen dort seien unglaublich dankbar. So ist sie also viermal die Woche dienstlich außer Haus. Aber es bleibt noch Zeit für den eigenen Garten, Kreuzworträtsel oder für ein Mandala.

Zu Hanne Maders Hobbys zählen Stricken, Diamond Painting und der Schwester in deren Garten zu helfen. (GEA)