REUTLINGEN. Grünen-Kommunalpolitikerin Cindy Holmberg hat's mehrfach auf Facebook angeprangert, nun meldet sich auch SPD-Stadträtin Edeltraut Stiedl sauer zu Wort. Es geht um die beiden Klohäuschen im Bürgerpark und in der Pomologie: Pissoirs dürfen dort kostenlos benutzt werden, die Benutzung von Sitzklos kostet dagegen 50 Cent. Warum das bei manchen öffentlichen Toiletten in Reutlingen so ist, erklärt Matthias Kuster, der stellvertretende Leiter der Technischen Betriebsdienste (TBR), dem GEA.
Ein Grund ist die Frequenz, so Kuster. Die neuen Toilettenkabinen mit Sitzklo und manchmal auch Wickeltisch reinigen sich automatisch selbst. Spätestens nach jeder fünften Benutzung wird der ganze Boden einmal durchgespült.
Dieser Vorgang dauert zweieinhalb Minuten, so lange kann dann niemand die Klokabine betreten. Gäbe es nur solche Toiletten, wäre die Schlange vor dem Klohäuschen bei Veranstaltungen enorm lang, sagt Kuster. Pissoirs, die zum einen kostenlos sind und zum anderen mehreren Menschen gleichzeitig die Benutzung erlauben, verteilen die Besucher. Es handle sich beim Bürgerpark und bei der Pomologie auch um häufig genutzte Veranstaltungsorte. Andere öffentliche Toiletten sind komplett kostenpflichtig, betont Kuster - sowohl Steh- als auch Sitzklos.
Der zweite Grund, warum diese speziellen Pissoirs kostenlos sind: Den Männern soll so ein Anreiz für die Nutzung gegeben werden, sagt Kuster. Wildpinkeln soll vermieden werden, wo es nur geht. »Öffentliche Toiletten sind gerade ein ganz heißes Thema, vor allem auch unter dem Aspekt der Gleichberechtigung«, sagt der stellvertretende TBR-Betriebsleiter weiter. Er wisse schon, »dass man mit dem Thema Toiletten keinen Pokal gewinnt«. Aber er wisse halt auch, was passiert, wenn Männer kein Pissoir nutzen, sondern bei Großveranstaltungen wie dem Heiligen Morgen beispielsweise reihenweise an Hauswände und in Gärten pinkeln.
Alternativen? In Köln gibt's beispielsweise eine Pinkelwand für Männer, die nachts hochgefahren wird, sagt Kuster. Das kann er sich für Reutlingen aber nicht vorstellen, das sei teuer und aufwendig in der Unterhaltung. Billige und kostenlose Dixi-Klos seien auch keine Alternative - »die werfen die dann um«. Also? Er seufzt, wie gesagt, das Thema Toiletten ist nicht einfach: »Mein Herz ist da gespalten, ich glaube aber, es ist ein guter Weg, wie wir das machen.«
SPD-Städträtin Stiedl jedenfalls sieht das anders - und einige Reutlingerinnen, die sie durch das Frauenforum kennt, auch. Sie findet: »Es kann doch nicht sein, dass Frauen und Kinder dafür bezahlen müssen, wenn Männer dazu erzogen werden sollen, bitte nicht an die nächste Wand zu pinkeln.« Am liebsten wären ihr kostenlose öffentliche Toiletten, schließlich handle es sich hier ja um ein Grundbedürfnis.
TBR-Mann Kuster hält von komplett kostenlosen Toiletten nichts. Diese seien deutlich anfälliger für Vandalismus, sagt er. Und das erhöhe dann auch die Kosten für die Unterhaltung. Das neue Klohäuschen im Bürgerpark habe rund 230.000 Euro gekostet, das in der Pomologie war mit rund 400.000 Euro nochmal teurer. Pro Monat fallen pro Klohäuschen zudem 1.400 bis 1.600 Euro Unterhaltungskosten an, sagt Kuster. Und was nimmt man bei diesem Geschäft ein? »Das ist längst nicht kostendeckend«, betont er. Er spricht von rund 2.500 Euro netto jährlich pro Klohäuschen. Der Gemeinderat hat 2015 eine Toilettenkonzeption für Reutlingen abgesegnet. In dieser ist von einer generellen Benutzungsgebühr von 50 Cent die Rede - dass bestimmte Pissoirs aus oben genannten Gründen kostenlos sind, steht dort aber nicht explizit drin.
Die Fraktion der »Grünen und Unabhängigen« im Reutlinger Gemeinderat hatte übrigens schon am 12. Mai einen Antrag auf kostenfreie Nutzung von öffentlichen Toiletten an die Stadtverwaltung gestellt. »Die Gleichstellung aller Geschlechter erfordert den freien Zugang zu den öffentlichen Toiletten für alle zu gleichen Bedingungen«, heißt es in dem Antrag. Und weiter: »Wir halten es für eine Selbstverständlichkeit, dass unseren Bürgern und Bürgerinnen öffentliche Toiletten kostenfrei angeboten werden.« (GEA)