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Aktuell Pandemie

Coronavirus: Dramatische Verschlechterung der Lage in Flüchtlingslagern

Die Situation für die Flüchtlinge in Syrien und der Türkei hat sich durch die Coronavirus-Pandemie deutlich verschärft. Die medizinische Versorgung ist seit Langem schlecht, nun ist die Situation noch angespannter. Nicht umsonst sprach die UNHCR, die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen, bereits vor Monaten von der größten humanitären Katastrophe unserer Zeit. Markus Brandstetter, der in sieben Flüchtlingscamps humanitäre Hilfe leistet, gibt einen Einblick in die derzeitige Situation.

Markus Brandstetter ist geschäftsführender Vorsitzender des Vereins  »3 Musketiere«.  FOTO: NIETHAMMER
Markus Brandstetter ist geschäftsführender Vorsitzender des Vereins »3 Musketiere«. FOTO: NIETHAMMER
Markus Brandstetter ist geschäftsführender Vorsitzender des Vereins »3 Musketiere«. FOTO: NIETHAMMER

REUTLINGEN/IDLIB. Die Grenzen sind dicht, auch zwischen Syrien und der Türkei. Kein Mensch kann mehr hinaus oder hinein. »Das ist eine mittelschwere Katastrophe«, sagt Markus Brandstetter. Er leistet humanitäre Hilfe in sieben Flüchtlingslagern und ist Vorsitzender des Reutlinger Vereins »Die 3 Musketiere«, die Flüchtlinge in Syrien und der Türkei Flüchtlinge versorgen. Auf der syrischen Seite hängen wegen der Coronavirus-Pandemie etwa 1,5 Millionen Menschen dicht an dicht gedrängt in der nördlichen Region Idlib fest. Die Geflüchteten auf der türkischen Seite leiden hingegen unter den hohen Lebensmittelpreisen. Denn die Türkei steckt schon seit Monaten in einer Wirtschaftskrise. Die türkische Lira verliert immer mehr an Wert. »Die letzten Monate haben sich die Lebensmittel um 60 Prozent verteuert«, sagt Brandstetter. Auch die Lage der von Markus Brandstetter und seinem Verein betreuten Flüchtlingscamps, die aus Zelten bestehen, ist schlecht. Und das, obwohl die Infektionszahlen sowohl in Syrien als auch in der Türkei gering sind. Die Grenzen sind dicht – das schlägt sich in der Versorgung nieder.  Eine adäquate medizinische Versorgung gibt es für die Flüchtlinge auch nicht. Daher ist es nicht auszudenken, was passiert, wenn die Pandemie dort weiter um sich greift. 

»In den Zelten der Flüchtlinge ist ein Social Distancing nicht möglich«, berichtet Markus Brandstetter weiter. Abstand halten geht nicht. Das kann für die Geflüchteten schwierig werden. Etwa zehn Nachrichten bekomme Brandsetter am Tag von den Menschen vor Ort. Darin heiße es oft, dass die Menschen nicht genug Essen haben, auch in Izmir in der Türkei. »Dort haben die Menschen kein Geld, um ihre Regale aufzufüllen.« Greift das Virus weiter um sich, wird es für die Menschen bedrohlich. 

Einen positiven Ausblick gibt es dort aber: »Unsere Näherei produziert von morgen an Atemschutzmasken. Heute haben wir die Produktion umgestellt«, sagt Brandstetter zufrieden. Sein Verein hat die Näherei mit aufgebaut. Das kommt nun auch anderen Bedürftigen zugute. »Bei den Ärzten ohne Grenzen fragen wir nach, ob sie Masken brauchen.« Ein Teil soll auch in den Flüchtlingscamps abgegeben werden. 

»In den Zelten der Flüchtlinge ist ein Social Distancing nicht möglich« 

Die von den Musketieren gegründeten Zeltschulen in fünf Flüchtlingslagern gehen ganz normal weiter. »Die Angst, dass es zu einem gravierenden Ausbruch kommt, ist aber groß. Drei Menschen unseres Vereins waren vor zwei Wochen noch in einem der Lager nahe der syrischen Grenze.« Gerade so hätten diese vor der Schließung der Grenzen, die Türkei noch verlassen können. 

Der Verein hat in Reutlingen einen großen Rückhalt, aber finanziell verspüren sie derzeit dennoch einen Einschnitt: »Wir haben einen drastischen Spendeneinbruch: Die Flüchtlinge in der Türkei und in Syrien sind sehr weit weg«, sagt Brandstetter. Er könne verstehen, dass die Menschen durch das Coronavirus große Sorgen haben und deshalb weniger an Flüchtlinge denken. Trotzdem versucht der Verein zusammen mit der türkischen NGO Alsham Global weiterhin humanitäre Hilfe in sieben inoffiziellen Flüchtlingslagern zu leisten. Denn auch dort sind die Menschen auf Hilfe angewiesen. (GEA) 

www.3-musketiere.info