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Aktuell Tarifkonflikt

Busfahrer streiken in Reutlingen und Tübingen

Die Chauffeure im privaten Omnibusgewerbe wollen mehr Lohn, weil alles teurer geworden ist. Am Donnerstag verliehen sie in Reutlingen und Tübingen ihren Forderungen in der aktuellen Tarifrunde mit einem eintägigen Warnstreik Nachdruck.

Lautstark fordern die Chauffeure auf dem ZOB in Reutlingen mehr Lohn.
Lautstark fordern die Chauffeure auf dem ZOB in Reutlingen mehr Lohn. Foto: Stephan Zenke
Lautstark fordern die Chauffeure auf dem ZOB in Reutlingen mehr Lohn.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Damit ihre Fahrgäste auch in Zukunft mit einem guten Nahverkehr ans Ziel kommen, haben die Busfahrer im privaten Omnibusgewerbe am Donnerstag gestreikt. Denn weil alles teurer geworden ist, bräuchten sie mehr Geld. Sonst würde schon bald niemand mehr hinter dem Lenkrad sitzen wollen. In der aktuellen Tarifrunde fordert die Gewerkschaft Verdi unter anderem neun Prozent mehr Entgelt. Noch ist es nur ein Warnstreik, aber die Kampfbereitschaft der Chauffeure ist groß.

Natürlich ist Verdi die Finanzlage von Kommunen bekannt, sagt Benjamin Stein als Reutlinger Bezirksgeschäftsführer für den Bezirk Fils-Neckar-Alb. »Aber für die klammen Kassen können die Busfahrer nichts. Bund und Land haben dafür gesorgt«, betont Stein, womit er sich auf die vom Landrat und Bürgermeistern immer wieder beklagte ungenügende Finanzausstattung bezieht. Eine Forderung nach neun Prozent mehr Gehalt sei angesichts steigender Lebenshaltungskosten und bescheidener Gehälter gerechtfertigt. »Wir brauchen Busfahrer, um den ÖPNV auszubauen«. Deswegen auch der Wunsch nach 100 Euro mehr im Monat für Auszubildende.

»Das Geld ist da. Es ist nur falsch verteilt«

Bei der Streikkundgebung auf dem ZOB in Reutlingen versammeln sich zahlreiche Busfahrer, denen Gewerkschaftssekretärin Anne Zerr Mut macht – so wie später dann auch in Tübingen. Ihre Forderungen seien mehr als berechtigt: »Das Geld ist da. Es ist nur falsch verteilt«, meint Zerr. Ans Mikrofon geht mit Mustafa Baykan auch ein Betriebsrat bei der Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft RSV. Er war bei der ersten Verhandlungsrunde dabei, und habe auf Arbeitgeberseite den echten Willen zu einer Lösung des Tarifkonfliktes vermisst. Deswegen jetzt der Warnstreik, der sowohl Passagiere des Reutlinger und Tübinger Stadtverkehrs als auch teilweise der Südwestdeutschen Landesverkehrs-GmbH SWEG betrifft. Wobei Verdi betont, man streike absichtlich erst ab 9 Uhr, um den Berufs- und Schülerverkehr zuvor abzuwickeln.

Streikende Busfahrer zeigen Flagge auf dem Tübinger Europaplatz.
Streikende Busfahrer zeigen Flagge auf dem Tübinger Europaplatz. Foto: Paul Runge
Streikende Busfahrer zeigen Flagge auf dem Tübinger Europaplatz.
Foto: Paul Runge

»Ich habe nicht mehr lange bis zur Rente, aber man will was Gutes hinterlassen«, sagte Hakan Cayhan. Der Busfahrer sitzt seit 1990 hinter dem großen Steuer. Gestern nahm er am Verdi-Warnstreik mit rund Hundert Menschen am Tübinger Hauptbahnhof teil, wo alle zentralen Busverbindungen aus Stadt und Umland zusammenlaufen. »Ich liebe meinen Job«, erklärte Cayhan.

Schnell mischt sich Cayhan wieder unter seine Kollegen, es wird vor allem Deutsch, Russisch und Türkisch gesprochen. Viele der Busfahrer sind männlich und zwischen 40 und 60 Jahren alt. Der vereinzelte jüngere Nachwuchs hält Schilder hoch, die »Öffis für alle« oder »Solidarität mit dem Busstreik« propagieren. Die erste Verhandlungsrunde am 18. Dezember verlief nicht im Sinne der Busfahrer, daraus machte Gewerkschaftssekretärin Anne Zerr keinen Hehl. »Die Arbeitgeber können sich nur 2,5 Prozent mehr Lohn vorstellen – das ist eine Frechheit. Ihr verdient mehr«, rief Zerr. »Mehr für uns ist besser für alle.« Die Unistadt plane zudem, rund eine Million beim städtischen Busunternehmen TüBus einzusparen – was nicht passieren dürfe. Für Oberbürgermeister Boris Palmers kürzliches Posting in den sozialen Medien, der die Forderungen der Busfahrer als »unbezahlbar« verurteilte, hatte Zerr ebenfalls klare Worte: Die Aussage, 3.500 Euro Verdienst im Monat seien gut, sei eine Frechheit von jemandem, der über 10.000 Euro im Monat verdiene.

In einem Punkt stimmt Zerr aber zu: »Hier geht es um knallharte Verteilungskämpfe.« Ein reiches Land wie Deutschland rangiere bei der Verteilungs-Ungerechtigkeit ganz oben mit. Palmer hatte in seinem Facebook-Post darauf aufmerksam gemacht, dass die Busfahrer vor 18 Monaten bereits 14 Prozent mehr Lohn erreicht haben – und das bei einer abnehmenden Inflation. Eine erneute Steigerung, wie von Verdi gefordert, sei daher für die Kommunen nicht zu finanzieren. »Die Gewerkschaft überzieht maßlos. So sägt man den Ast ab, auf dem man sitzt.« (GEA)