REUTLINGEN. Das Reutlinger Rathaus hat dieser Tage rund 42.000 Grundsteuerbescheide verschickt, erstmals nach dem neuen baden-württembergischen Bodenwertmodell festgesetzt, zu dem der Reutlinger Gemeinderat kurz vor knapp im Dezember noch den Hebesatz beschlossen hatte. Der Postinhalt war für einen großen Teil der Grundstückseigentümer unerfreulich. Entsprechend groß war der Ansturm auf das GEA-Forum – weshalb wir leider bei Weitem nicht alle Zuschriften abdrucken konnten, sondern nur eine Auswahl der Meinungen. Teils eklatante Erhöhung – ein Leser berichtet vom Zehnfachen der alten Steuer –, die insbesondere finanziell nicht gut gestellte Eigentümer hart angeht, und Unverständnis im Hinblick auf die Berechnungsweise der Steuer beziehungsweise des Bodenrichtwerts sind wiederkehrende Themen. Ein Hauptkritikpunkt ist jedoch die Tatsache, dass Grund, der vom Gesetz her gar nicht bebaut werden darf, gleich besteuert wird wie Bauland.
Peter und Brigitte Häberlein haben ein Grundstück mit Eigenheim an der Oferdinger Straße in Rommelsbach. »Es ist 12 Ar groß und zweigeteilt: 6 Ar Bauplatz und 6 Ar Grünland (nicht bebaubar). Bei der alten Grundsteuer haben wir 638,60 Euro bezahlt. Bei der neuen Grundsteuer 2025 müssen wir 1859,62 Euro bezahlen. Das Dreifache! Hier hat sich Herr Kretschmann mit seiner Landesregierung eine unmögliche Grundsteuerreform 2025 ausgedacht. Die schlechteste der ganzen Bundesrepublik.«
»Gebäude müssen mit berücksichtigt werden, so wie es im Bundesmodell von anderen Bundesländern angewendet wird«
»Die Grundsteuerreform war ein unüberlegter Schnellschuss«, findet Richard Ballmann. »Die Grundlage nur auf Basis des Bodenrichtwertes ist unfair, unsozial, verfassungswidrig. Gebäude müssen mit berücksichtigt werden, so wie es im Bundesmodell von anderen Bundesländern angewendet wird. Im Gesetz ist verankert, dass Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstückes sind. Im Baugesetz gibt es ein Wertermittlungsgesetz, nach dem Gutachterausschüsse auch arbeiten. Was die Landesregierung abgeliefert hat, ist eine Darstellung der Unfähigkeit. Es ist eine Gelddruckmaschine für Kommunen. Denn durch laufend steigende Grundstückspreise erhöhen sich auch die Bodenrichtwerte, dadurch zahlen die Eigentümer immer weiter höhere Steuern.«
»Meine neue Grundsteuer ist nun dreimal so hoch wie bisher. Ich hoffe, die diversen Einsprüche haben Erfolg. Es kann nicht sein, dass sich bei solch entscheidenden Reformen vor allem Baden-Württemberg für derartige Unterschiede entscheiden will. Für die Grundsteuerreform muss eine bundesweite einheitliche Gesetzgebung gelten«, findet Gunter Röhm.
»Wir fragen uns schon die ganze Zeit, was an unserer Wohnlage hier im Hohbuch so besonders sein soll. «
»Auch mich trifft die neue Grundsteuer hart«, schreibt Regine Peter. »1.000 Euro mehr im Jahr; Steigerung um 500 Prozent. Grund dafür ist der große Garten, der aber für die Innenverdichtung nicht taugt. Prinzipiell finde ich die Form, dass nur die Grundstücksgröße und nicht auch die Bebauung ausschlaggebend ist, nicht gerecht.«
»Wir haben drei Grundstücke in Reutlingen. Davon liegen zwei nebeneinander, eines gegenüber auf der anderen Straßenseite. Zwei davon sind gleich groß, eines hat 70 Quadratmeter mehr. Der Messbetrag beträgt: 288,29 Euro, 317,77 Euro und 412,36 Euro. Die Erhöhung der Grundsteuer beträgt circa 50 Prozent. Das können wir wirklich nicht verstehen. Grundsteuer zahlen, ist o. k., aber dieser Zustand ist einem Eigentümer nicht mehr zu vermitteln«, findet Dr. Bernhard Meier.
»Meine Nachbarn und ich bezahlen im Reutlinger Hohbuch für unsere Wohnungen eine sehr hohe Grundsteuer. Kein Wunder bei einem Bodenrichtwert von 680!!!«, klagt Ilsetraut Schmidt. »Wir fragen uns schon die ganze Zeit, was an unserer Wohnlage hier im Hohbuch so besonders sein soll. Ich weiß, dass in einer Gemeinde fünf Kilometer vom Bodensee entfernt ein viel niedriger Bodenrichtwert gilt. Das gilt auch für viele andere Gebiete in Reutlingen, dort bezahlt man für ein Haus mit Grundstück weniger als wir für unsere Wohnungen.«
»Das neue Bewertungsmodell ist nur eine reine Abzocke «
»Für unser Einfamilienhaus mit Grundstück (740 Quadratmeter) zahlen wir jetzt über 250 Prozent mehr. Wo fließt denn dieses Geld hin? Mein Grundstück ist bebaut und trotzdem wurde fast das Dreifache berechnet. Unbebauter Grund sollte eigentlich höher besteuert werden und bebauter weniger! Deshalb bauen bestimmt nicht mehr Leute. Ist jetzt mein Grundstückswert um 250 Prozent gestiegen?« Das neue Bewertungsmodell ist für Heinz Rösch »nur eine reine Abzocke. Das Grundstück meines Nachbarn und das meine waren früher ein Grundstück. Seit der neuen Reform gilt für mein Grundstück ein höherer Bodenrichtwert als bei meinem Nachbarn, wie kann das denn sein? Wie sollen Leute mit weniger Verdienst oder Rentner diese Mehrkosten bezahlen? Irgendetwas ist bei dieser Besteuerung falsch gelaufen. Viele Leute können auch keinen Einspruch einlegen, weil einfach das Geld für einen Anwalt fehlt.«
»Ich bin von einer Steuererhöhung um das Zehnfache betroffen«, berichtet Albrecht Grüninger. »Der gesamte Ablauf zur Neufestsetzung verlief undurchsichtig und äußerst verwirrend. Für mich war erst mit Zustellung des Grundsteuerbescheids das Ergebnis erkennbar. Die Kriterien sind immer noch nicht nachvollziehbar, und es ist auch nicht nachvollziehbar, in welchen Abständen eine Neubewertung vorgenommen wird. Damit die Stadt den tatsächlichen Wert des Grundstücks belegt, biete ich der Stadt Reutlingen mein Grundstück direkt zum Kauf an.«
»Mit Spannung habe ich den neuen Grundsteuerbescheid erwartet. Wie schon geahnt, ist der Betrag um 70 Prozent gestiegen. Leider gibt es keine Info, wovon die Steigerung abhängt. Ist es der Grundbesitz, die bebaute Fläche oder was???? In der Nachbarschaft fallen die Bescheide so unterschiedlich aus, dass man sich keinen Reim daraus machen kann«, schreibt Monika Koch-Braun. »Zum Teil sind die Kosten unerklärlich hoch oder ’runter gegangen.«
Das »modifizierte Bodenwertmodell« ist für Heiner Christner »sowas von daneben! Und die Förderung der Innenverdichtung ist mir neu. Vor ein paar Jahren wollte ich mein Grundstück verkaufen, was nicht möglich war, da das Baufenster bei 15 Ar zu klein war und das angrenzende zweite Flurstück (6 Ar) eine innerörtliche Grünzone darstellt, die nicht bebaut werden darf. Da sich die Stadt Reutlingen völlig verquert hat, sind alle Bauträger abgesprungen. Also beim Verkauf habe ich eine Wiese und bei der Grundsteuer einen Bauplatz. Das finde ich irgendwie nicht richtig.«
»Es kann nicht sein, dass eine laut Bauamt Reutlingen definitiv nicht bebaubare Grünfläche/landwirtschaftliche Fläche sowie eine Verkehrsfläche genauso bewertet wird wie eine bebaubare Grünfläche oder ein Bauplatz«, findet auch Karin Lipp. »Die Grundsteuererhöhung für solche Grundstücke sind meines Erachtens nicht verfassungskonform. Reine Grünflächen sollten mit der Grundsteuer A bewertet werden. Die neue Grundsteuer ist für sehr viele Hausbesitzer kaum bezahlbar.«
»Die Grundsteuerforderung für unser mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück hat sich nahezu verdreifacht«, schreibt Robert Löffler. »Ich kann die Rechtmäßigkeit dieser Reform aus folgenden Gründen nicht nachvollziehen: Wir haben unsere Immobilie vor 26 Jahren unter anderen Bedingungen gekauft und sollen nun für die Grundstücksgröße bestraft werden. Die Bauvorgaben lassen laut Grundbuch gar keine größere Bebauung zu, also können wir auch keine Veränderung im Sinne der Reform treffen. Die massive Erhöhung der Grundsteuer führt unvermeidlich zu einer Wertminderung im Falle eines Verkaufs und zu einer verschlechterten Vermietbarkeit der Immobilie. Wie dies juristisch haltbar sein und eine angebliche Ungleichbehandlung damit ausgeglichen werden soll erschließt sich mir nicht.«
»Die neue Grundsteuer ist für viele kaum bezahlbar«
»Die neue Grundsteuer sollte so schnell wie möglich reformiert oder wieder abgeschafft werden. Für mein in 60 Jahren erarbeitetes Haus mit Garten muss ich jetzt zur Strafe Steuer in der Höhe einer ganzen Monatsrente zahlen.« Margarete Schwarz moniert mit vielen anderen: »Nachverdichtung ist auch nicht möglich, da nach geltendem Baurecht nicht mehr bebaut werden kann. Es wird nun eine Wiese mit Obstbäumen und Gemüsebeet besteuert, als ob es ein riesiges Mietshaus wäre. Ich kann meine Äpfel nicht zum Goldpreis verkaufen. Es fehlen einem die Worte über die Leistung des Gesetzgebers. Die Steuer ist jetzt fünfmal so hoch wie davor. Die Arbeit zur Pflege von Haus und Garten wird davon nicht weniger und billiger.«
»Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit«, so findet Hartmut Kopp, »wird eine ungerechte und unsoziale Verteilung der Grundsteuer durchgeführt. Auch ich bin erheblich davon betroffen, denn die neu festgesetzte Steuer hat sich um den Faktor 3,8 gegenüber vorher erhöht. Das ist höchst ungerecht, unangemessen und unsozial und widerspricht nach meiner Auffassung dem Ziel des Gerichtsurteils, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Der Fehler liegt einerseits beim Land Baden-Württemberg, das nahezu einmalig in der BRD ein solches Gesetz erlassen hat und andererseits beim Gemeinderat der Stadt Reutlingen, der einen Hebesatz von 380 Prozent beschlossen hat. Hier hätte ein entsprechender Ausgleich zugelassen werden dürfen beziehungsweise stattfinden sollen, denn in diesen Einfamilienhäusern mit aus heutiger Sicht großen Grundstücken leben nicht nur ›reiche‹ Leute, sondern auch Rentner mit geringem Einkommen.«
»Ich bin Rentner und muss seit diesem Jahr fünfmal so viel bezahlen wie vorher (1.300 Euro)«, berichtet Rainer Fauser. »Das finde ich extrem ungerecht und belastet mich sehr. Mein Grundstück war früher ein landwirtschaftliches Anwesen. Heute stehen noch eine Scheuer, eine Garage und ein Wohnhaus Baujahr 1961 darauf. Deshalb finde ich das modifizierte Bodenwertmodell falsch, es muss unbedingt geändert werden.«
»Unser Haus, Baujahr 1933, steht auf einem Grundstück mit 8 Ar, Hanglage, an der Bahnlinie Reutlingen-Sondelfingen«, schreibt Margarete Kleingütl. »Die Grundsteuer wird nun von jährlich 312,22 Euro auf 999,10 Euro festgelegt. Wir sind beide Rentner und dieser Betrag ist für uns heftig. Des Weiteren vermieten wir im Haus eine kleine Einliegerwohnung. Wir haben Skrupel, dem Mieter die anteilige Grundsteuer bei der nächsten Nebenkostenabrechnung weiterzuberechnen. Wir haben Einspruch eingelegt, da wir erachten, dass die neue Grundsteuer verfassungswidrig ist.«
»Ich halte das für eine Enteignung durch die Hintertür «
»Viele haben ihre schönsten Jahre mit Hausbau verbracht, auch in der Hoffnung, im Alter mietfrei wohnen zu können. Doch weit gefehlt: Der eigene Staat bewertet den liebevoll gepflegten Gemüse- und Blumengarten ebenfalls mit sehr hohen Bauplatzpreisen, die heute wohl kaum mehr zu erzielen sind.« Und schlimmer noch für Mareike Madeyra: »Die angrenzende große Streuobstwiese, die das bisherige Gutachten des Gutachter-Ausschusses auch als solche bewertet hat, wird nun auch mit dem Bauplatzpreis angesetzt. Der Gutachter-Ausschuss teilte und mit, dass man für den Widerspruch ein neues Gutachten in Auftrag geben müsse, das aber derart teuer wäre, dass man mit diesen Kosten jahrelang die neue Grundsteuer bezahlen könne, zumal der Erfolg völlig offen sei. Ich halte das für eine Enteignung durch die Hintertür: Die Grundsteuer kann mehrere Monatsrenten betragen und so müssen viele alte Menschen im Alter wohl ihr Häuschen hergeben. Wir halten das für einen Skandal und ein Lehrstück für unsere Jugend.«
»Die Grundsteuer in Baden-Württemberg ist nicht gerecht. Es wird ausschließlich die Grundfläche nach standardisiertem Bodenrichtwert bewertet. Der Wert einer Immobilie auf dem Grundstück hat keinen Einfluss, ebenso werden spezielle Belastungen und Charakteristika nicht bewertet. Für die Steuer gilt der Grundsatz der Leistungsfähigkeit, dafür ist der Wert von Grundstück und Immobilie zu betrachten. Alte renovierungsbedürftige Gebäude mit geringem Wert stehen oft auf größeren Grundstücken, die nur mit hohen Investitionen und Neubebauung besser zu nutzen wären. Eigentümer von solchen Grundstücken (die oft im fortgeschrittenen Alter sind) zahlen mehr als Eigentümer von ganz modernen und teuer erbauten Gebäuden, die auf kleinerer Fläche stehen. Grünflächen in der Stadt sind sehr wertvoll. Diese Gärten bringen Sauerstoff und freuen das Auge, sie erlauben eine gewisse Biodiversität in der Stadt.« Die Zerstörung dieser Gärten sieht Roland Stelzer »als ein Ziel der grünen Landesregierung«.
»Verlierer sind immer die Kleinen«, finden Susanne und Jürgen Lipp. »Von Entlastung keine Spur. Im Gegenteil, die Grundsteuer ist utopisch in die Höhe geschossen. Bei unserem Haus haben wir kein Problem mit der Erhöhung. Wir hatten noch einen alten Vertrag. Das ist für uns in Ordnung. Aber für ein kleines Stück Garten (unbebaubar), das landwirtschaftliche Fläche ist, Bauplatzpreise zu berechnen, finden wir verfassungswidrig. Das müsste als Grundsteuer A ausgewiesen werden.«
"Das modifizierte Bodenwertmodell ist falsch, es muss unbedingt geändert werden." "
»Ich habe drei aneinandergrenzende und bebaute Grundstücke mit Flächen von 420 bis 470 Quadratmeter«, lässt Werner Keppeler wissen. Darauf »ein Zweifamilienhaus Baujahr 1929, ein Zweifamilienhaus Baujahr 1955 und ein Einfamilienhaus (Baujahr 1985). Die Steigerung liegt zwischen 65 bis 210 Prozent und das, obwohl schon im Jahr 2023 der Hebesatz von 400 auf 500 (plus 25 Prozent) erhöht wurde. Die Besteuerung nur des Grundes ohne Gebäude halte ich für ungerecht. Auch wenn das gesamte Grundsteueraufkommen unverändert ist, zeigt sich eine Verschiebung der Grundsteuerlast zwischen Gewerbe und wohnwirtschaftlicher Nutzung.«
»Wir wohnen in einem Vierfamilienhaus mit etwa 450 Quadratmeter Wohnfläche in der oberen Bismarckstraße in Reutlingen (Baujahr 1904)«, berichtet Hans-Anton Maier in seiner Mail an den GEA. »Das Grundstück ist rund 750 Quadratmeter groß, also gemessen an der bebauten Fläche nicht übergroß. Die Grundsteuer hat sich vervierfacht! Je nach Grundstücksgröße dürfte dies mehr oder weniger für alle älteren Mehrfamilienhäuser in der Oststadt gelten. Angeblich sollte die Grundsteuer kostenneutral sein, nur unbebaute Grundstücke und größere Grundstücke, die mit Ein- oder Zweifamilienhäusern bebaut sind, sollten zugunsten dicht bebauter Grundstücke stärker belastet werden. Nach dieser Logik müssten wir eigentlich entlastet werden!« (GEA)