TÜBINGEN. Allein in Deutschland werden jedes Jahr rund 38.000 Kinder intensivmedizinisch behandelt. Dazu werden sie oft vorübergehend in ein künstliches Koma versetzt. Doch mehr als die Hälfte der Kinder leidet an Folgen der Intensivtherapie mit Sedierung, künstlicher Beatmung und langem Liegen. Die Kombination dieser Langzeitfolgen wird Post Intensive Care Syndrom (PICS) genannt und beinhaltet körperliche, kognitive und psychische Symptome wie verminderte Belastbarkeit, Muskelschwäche und posttraumatische Belastungsstörungen.
Am Universitätsklinikum Tübingen werden die Kinder deshalb, wenn möglich, nicht in ein künstliches Koma versetzt, sondern bleiben weitgehend wach, sie werden gemeinsam mit ihren Eltern psychologisch begleitet, individuell betreut und erhalten früh intensive Physiotherapie. In einer neuen Studie soll untersucht werden, inwiefern PICS verhindert werden kann. Im Erfolgsfall können die neuen Maßnahmen auf allen Intensivstationen eingeführt werden.
Eltern können weniger arbeiten
Kinder mit lebensbedrohlichen Krankheiten oder gefährlichen Verletzungen werden auf der Intensivstation häufig in ein künstliches Koma versetzt. Diese Langzeitnarkose soll ihr Bewusstsein und Schmerzempfinden ausschalten. Sie werden künstlich beatmet und liegen lange im Bett. »Für die gesamte Familie bedeutet ein solcher Aufenthalt auf der Kinderintensiv große psychische und logistische Herausforderungen«, so Oberarzt Dr. Felix Neunhoeffer, »auch nach dem Ende der Behandlung gehen die Probleme häufig weiter.«
Jedes zweite Kind leidet am sogenannten Post Intensive Care Syndrom (PICS), einer Kombination aus körperlichen, geistigen und psychischen Problemen. Ihre Muskeln sind schwach, weil sie sich viel zu lange nicht bewegt haben. Teilweise sind sie geistig verwirrt, haben Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme. Sie benötigen mehr Betreuung, weshalb die Eltern oft weniger arbeiten können.
Auch Eltern und Geschwister haben mit Langzeitfolgen zu kämpfen, haben Angst- und Schlafstörungen sowie posttraumatische Belastungsstörungen und müssen sich im Falle chronischer Erkrankungen auf ein verändertes Familiengefüge einstellen. (eg)