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Warum die Stuttgarter S-Bahn nicht in die Region fährt

Die S-Bahn von Stuttgart endet in Filderstadt. Warum fährt sie nicht bis Walddorfhäslach oder Gniebel?

Die S-Bahnen der Linie S2 von Schorndorf und der Stuttgarter Innenstadt enden aktuell in Filderstadt-Bernhausen.
Die S-Bahnen der Linie S2 von Schorndorf und der Stuttgarter Innenstadt enden aktuell in Filderstadt-Bernhausen. Foto: lg/GEA
Die S-Bahnen der Linie S2 von Schorndorf und der Stuttgarter Innenstadt enden aktuell in Filderstadt-Bernhausen.
Foto: lg/GEA

WALDDORFHÄSLACH/PLIEZHAUSEN. Die S-Bahnen der Linie S2 von Schorndorf und der Stuttgarter Innenstadt enden aktuell in Filderstadt-Bernhausen. Weiter kommen die Fahrgäste mit Expresso-Bussen der Linie X3 über die B27 nach Walddorfhäslach, Gniebel, Pliezhausen und Reutlingen.

Bei der GEA-Aktion »Leser fragen« hat sich eine Leserin gemeldet, die gerne mit der S-Bahn weiter fahren würde. Sie fragt: »Warum gibt es keine Verlängerung der S-Bahn nach Walddorf, nach Häslach oder Gniebel?« Aus ihrer Sicht hätten es dann die Pendler und Reisenden leichter und müssten sich nicht täglich »in den Stau rein und raus nach Stuttgart anstellen«. Die aktuelle Verbindung von Reutlingen nach Stuttgart sei »ein Witz. Man fährt mit der Kirche ums Dorf«. Als gutes Beispiel nennt sie das Liniennetz in und um München. »Alle umliegenden Landkreise werden einbezogen, um Verbindungen zu erleichtern.«

Region Stuttgart nicht zuständig

Der Verband Region Stuttgart (VRS), der für die S-Bahnen zuständig ist, hat eine räumliche Antwort: »Weil der Kreis Reutlingen nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt«, erläutert Alexandra Aufmuth, die beim VRS für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Der Verband verantwortet die S-Bahn Stuttgart, die aber ausschließlich innerhalb der Verbandsgrenzen verkehrt: etwa nach Kirchheim/Teck, Herrenberg, Backnang oder Marbach am Neckar.  

Wollte man S-Bahn-Linien in den Bereich des benachbarten Regionalverbands Neckar-Alb ausdehnen, »müssten die Aufgabenträger aufeinander zugehen.« Ausloten, ob es bereits Trassen für eine S-Bahn-Verlängerung gibt, oder solche finden. Und gemeinsam Machbarkeitsstudien in Auftrag geben. Erst ab einem sogenannten Kosten-Nutzen-Indikator von über eins gilt ein Streckenbau als realisierbar. Aufgabenträger im Bereich Neckar-Alb sind bisher die Kreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb (Buslinien), außerdem die Zweckverbände Regional-Stadt-Bahn Neckar-Alb und ÖPNV Ammertal (Züge). Für regionalen oder regionenübergreifenden Zugverkehr ist bisher schwerpunktmäßig das Land zuständig.

»Eine direktere Streckenführung zwischen Reutlingen und Stuttgart wäre aus Verkehrssicht sicherlich attraktiv«

Wenke Böhm als Sprecherin des Landesverkehrsministeriums Baden-Württemberg, beantwortet die Frage so: "Eine direktere Streckenführung zwischen Reutlingen und Stuttgart – gegebenenfalls unter Einbindung der Räume dazwischen – wäre aus Verkehrssicht sicherlich attraktiv.

Allerdings scheint die Umsetzung einer solchen Neubaustrecke sehr ambitioniert und wenig realistisch." Böhm verweist auf Besserung durch den Bau von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke von der Landeshauptstadt über den Stuttgarter Flughafen nach Ulm. Denn dann würden Nürtingen und Reutlingen über die Schnellfahrstrecke nach Stuttgart angebunden. Fahrgäste aus Pliezhausen und Walddorfhäslach könnten mit Bussen schneller nach Stuttgart kommen: "Generell können beschleunigte Busverkehre ein attraktives Konzept für die Verbindung von Orten darstellen, bei denen keine Schienenanbindung vorhanden ist. Gerade die vielen vom Land geförderten Regiobuslinien stellen hier wichtige und attraktive Lückenschlüsse dar", sagt Böhm.

S-Bahn-Anbindung stößt auf Interesse

Bei den Gemeinden Pliezhausen und Walddorfhäslach stößt gerade eine S-Bahn-Anbindung durchaus auf Interesse. »Die Leserin bringt einen interessanten Gedanken auf, der uns schon öfter gekommen ist und uns in der Diskussion um das Thema ÖPNV- und Verkehrsanbindung an den Raum Stuttgart immer wieder auch begegnet«, sagt Stefan Adam, der Leiter der Bau- und Liegenschaftsverwaltung. Generell gilt: »Die Gemeinde Pliezhausen begrüßt jedwede Verbesserung des ÖPNV und jegliche Reduktionen des Individualverkehrs.« Pliezhausen begrüße eine S-Bahn-Anbindung sehr, halte sie aber in der absehbaren Zukunft nicht für realistisch.

»Bürgermeister Christof Dold hat in den Diskussionen um den Lärmschutz an der B27 bereits den Gedanken einer Überdeckelung mit oben aufgesetzter Schienenführung eingebracht«, sagt Adam. Es sei aber nicht von anderen aufgegriffen worden. »Generell scheint hier in Deutschland leider manchmal der Mut zu fehlen, auch solche großen und zukunftsorientierten Lösungen zu denken und anzugehen, auch wenn sie sehr aufwendig sein mögen.« Adam sieht eine direkte Schienenverbindung nach Stuttgart mit einem attraktiven Takt als »eine echte Chance für eine deutliche Reduktion der Individualverkehre auf der B27«. Womöglich könne diese auch nach Tübingen oder Reutlingen verlängert werden und dort einen Anschluss an die Regionalstadtbahn bieten. Adam würde das sehr begrüßen: »Hiervon würden nicht nur die staugeplagten Autofahrerinnen und Autofahrer und die betroffenen Gemeinden, sondern die gesamte Region erheblich profitieren.«

Auf Schienen über die B27

Auch in der Nachbargemeinde Walddorfhäslach findet die Idee, einer S-Bahn-Verbindung Anklang. »Die Ausführungen der Dame können wir vollumfänglich nachvollziehen und diesen auch zustimmen«, sagt Walddorfhäslachs Bürgermeisterin Silke Höflinger. Sie habe diese Idee auch immer wieder eingebracht. »Bei unserem Neujahrsempfang im Januar 2020 habe ich in meiner Präsentation die S-Bahn-Schienenverbindung Stuttgart – Walddorfhäslach bildlich aufgegriffen – zur erheiternden Freude unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger und Gäste«, erzählt Höflinger. Nach ihrer Kenntnis habe es bisher noch keinen konkreten Ansatz für eine Schienenverbindung parallel zur B27 gegeben. »Die Kosten sind zu hoch, vor allem wegen des zusätzlichen Brückenbaus. Man könnte aber gegebenenfalls auf einer Fahrspur auch eine Schiene aufbringen. In technischer Hinsicht wäre meines Erachtens sicherlich vieles umsetzbar«, sagt Höflinger.

Leserfragen: Welches Thema bewegt Sie aktuell?

Welches Thema bewegt Sie aktuell? Was wollten Sie schon immer einmal über Reutlingen und die Region wissen? Im neuen Format »Leserfragen« haben Sie die Möglichkeit, all diese Fragen per E-Mail an leserfragen@gea.de zu stellen. Unter den Einsendungen wählt die Redaktion wöchentlich eine aus und beantwortet sie jeweils am Dienstag - in der gedruckten Ausgabe, auf der GEA-Webseite und auf den Social-Media-Kanälen des GEA. (GEA)

Außerdem setzen sie und ihr Kollege Christof Dold sich immer wieder für eine ÖPNV-Spur für den Schnellbus zwischen Reutlingen über Pliezhausen zum Stuttgarter Flughafen ein. Dieses Thema spricht die Bürgermeisterin auch in ihrer Funktion als Kreisrätin immer wieder an. Dieser Expresso hält auch am Rande der B27 an einem Pendlerparkplatz. »Wir können erfreut feststellen, dass die Fahrgastzahlen des Expresso von Walddorfhäslach (P+M) nach Stuttgart deutlich angestiegen sind. Das freut uns vor allem deshalb, weil der P+M auf unsere Initiative hin ausgebaut wurde«, sagt Höflinger. Dort gebe es noch weiteres Potenzial. Auch bei einer ÖPNV-Spur würde der Expresso attraktiver und noch intensiver genutzt. (GEA)