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Aktuell Kundgebung

Rettungsschiff auf dem Tübinger Neckar

Tübinger Gesellschaft Kultur des Friedens demonstriert für Seenotrettung auf der Plataneninsel

Konstantin Wecker bei der Tübinger Gesellschaft Kultur des Friedens. FOTO: STURM
Konstantin Wecker bei der Tübinger Gesellschaft Kultur des Friedens. FOTO: STURM
Konstantin Wecker bei der Tübinger Gesellschaft Kultur des Friedens. FOTO: STURM

TÜBINGEN. Gut 200 Menschen versammelten sich am Samstag auf der Tübinger Neckarinsel zur Kundgebung der Gesellschaft Kultur des Friedens – mit Blick auf den Hölderlinturm. Ziemlich passend, denn ein Hölderlin-Zitat stand als Motto Pate: »Wo aber die Gefahr ist, wächst das Rettende auch.«

Die amerikanische Pop-Band Styx besang in den frühen 1980ern einst recht romantisch das »Boat on the River«. Das schwarze Schlauchboot, das am Samstag unter dem Namen MS Hoffnung auf dem Neckar dümpelte, hat eine wenig romantische Geschichte: Es gehörte zu einem Rettungsschiff im Mittelmeer, das Flüchtlinge aus Afrika aufgabelte.

Um zu verdeutlichen, worum es geht, traten Redner und Musiker auf. Und es gab zwei Live-Schalten: Henning Zierock, Vorsitzender der Gesellschaft Kultur des Friedens, telefonierte mit Leoluca Orlando, dem Bürgermeister der sizilianischen Metropole Palermo. Orlando erklärte seine Flüchtlingspolitik so: »Alle sind Menschen. Jeder der kommt, ist ein Bürger von Palermo.« Im zweiten Live-Telefonat ließ sich Zierock die aktuelle Situation im Flüchtlingslager Metileni auf der griechischen Insel Lesbos schildern. Die Kapazitätsgrenze sei fünffach überschritten. Vor allem in der Nacht gebe es dort Gewalt, etwa Messerstechereien. Viele Flüchtlinge landen nach abgelehntem Asylgesuch auf der Straße.

»Europa droht in der Flüchtlingsfrage zu versagen. Es muss nun seiner Verantwortung gerecht werden«, betonte der erste Redner vor Ort, Martin Kunzmann. Der Vorsitzende des DGB Baden-Württemberg warb für militärische Entspannung und Aufnahmequoten pro EU-Land. Er forderte, die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU müsse zu einer humaneren Politik führen. Kunzmann: »Die Menschheit braucht keine Gewehre – sie braucht Beatmungsgeräte!« Etwas später vertiefte Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete der Linken, die Kritik ihres Vorredners an der deutschen Rüstungsindustrie: »Das ist für mich Beihilfe zum Mord.« Ludwig Essig, Aktivist von Fridays 4 Future, nannte die Zerstörung des Planeten als Fluchtursache. »Eine Wirtschaft die auf Konsum, Töten, Ausbeuten ausgelegt ist, sollte man nicht aufrechterhalten.«

»Wenn Henning was macht, komme ich«

Der Tübinger Hans Probst, engagiert in der evangelischen Landeskirche, stellte das vor einem Jahr gegründete Bündnis "United 4 Rescue" vor, an dem sich rund 500 Partner, auch aus der Wirtschaft, beteiligten. Innerhalb eines Jahres sammelte das Bündnis genügend Spenden, um ein Schiff zu finanzieren, das Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten soll: "Die Seawatch IV soll in wenigen Tagen auslaufen", berichtete Probst. Aus der Praxis der Seenotrettung berichtete Thomas Nuding aus Leutkirch, der als Kapitän auf dem Mittelmeer Flüchtlinge von kleinen Booten auf sein Schiff holte. Dabei berief er sich auf das deutsche Grundgesetz und das Völkerrecht der Vereinten Nationen: Mein Europa ist human – es rettet Menschen vor dem Ertrinkungstod", sagte Nuding.

Auf musikalischer Ebene grüßte das Mikis-Theodorakis-Ensemble seinen Namensgeber mit Stücken aus dessen Feder. Der griechische Sänger und Friedensaktivist wird nächste Woche 95 Jahre alt. »Er ist immer noch dabei«, verkündete Henning Zierock. Auf Konstantin Wecker kann Zierock ebenfalls zählen: »Ich bin der Kultur des Friedens seit Jahrzehnten verbunden. Wenn Henning was macht, komme ich«, sagte der Münchener Liedermacher am Samstag. Er freue sich daran, »was gerade in der Jugend passiert – die Antirassismusbewegung macht mir Mut.«

Durch eine schlimme Schnittwunde an der Hand fiel Wecker als sein eigener Pianist aus. Sarah Straub begleitete ihn am Keyboard und als Duettpartnerin. Wecker trug auch Gedichte vor. Eigene und die von anderen, etwa Georg Heym. Verse die zu Courage aufforderten. Ganz wie in dem Lied, das er früh am Nachmittag sang: »Wo alle loben, habt Bedenken, wo alles dunkel ist, macht Licht.« (mac)