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Aktuell Dritte Welt

Reichtum, der seinen Preis hat

Der Arzt Gerhard Trabert beim Förderverein »Uhuru« in Gomaringen

Mit einer Mutter und ihrem Kind bei der Untersuchung im Flüchtlingslager Ayn Issa in Nordsyrien.  FOTO: PRIVAT
Mit einer Mutter und ihrem Kind bei der Untersuchung im Flüchtlingslager Ayn Issa in Nordsyrien. FOTO: PRIVAT
Mit einer Mutter und ihrem Kind bei der Untersuchung im Flüchtlingslager Ayn Issa in Nordsyrien. FOTO: PRIVAT

GOMARINGEN. »Uhuru« – das bedeutet so viel wie Freiheit, Unabhängigkeit. Der gleichnamige Gomaringer Verein machte es sich vor einigen Jahren zum Ziel, für genau das in Kenia einzustehen und vor Ort Kinder aus schwierigen Verhältnissen zu unterstützen. Denn in Kisumu, wo der Verein hauptsächlich tätig ist, mangelt es den Jugendlichen oft an Zukunftsperspektiven.

Dieses Problem kennt auch der Arzt und Sozialarbeiter Gerhard Trabert, den der Verein zum Gespräch in das Gomaringer Schloss eingeladen hat. Er sieht die Ursache des Problems in unserer Gesellschaft: »Unser Reichtum basiert teilweise auf der Armut in Afrika«, so der Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie.

Denn er hat es mit eigenen Augen gesehen. Bei seinen Auslandseinsätzen, bei denen er Menschen versorgte, um die sich sonst keiner kümmert. Bauern, die ihre Familien nicht mehr versorgen können, weil billige europäische Produkte den Markt überschwemmen. Kinder, die Klebstoff schnüffelnd am Straßenrand sitzen, um ihr Hungergefühl abzumildern. Und die wenige Jahre später dement werden, da der Drogenkonsum ihre Hirnzellen zu sehr geschädigt hat.

Es sind die Abgründe der Menschheit, die sich in Traberts Ausführungen hervortun. Er berichtet von vergewaltigten oder verstümmelten Frauen, die die Flucht nach Europa auf sich nehmen und dann abgewiesen werden mit der Begründung, dass sie die Grausamkeiten ja bereits hinter sich gebracht hätten.

Noch nicht am Ende

Der Arzt sieht in solchen Fällen eine sequenzielle Traumatisierung, quasi ein Trauma nach dem Trauma: Wenn Opfern nach ihren Schädigungen keine Beachtung geschenkt wird, ist dies für sie gleichermaßen verstörend wie das traumatisierende Ereignis selbst.

Trabert nutzt seinen Vortrag, um eine politische Botschaft zu vermitteln. So zeigt er beispielsweise ein Zitat des AfD-Politikers Alexander Gauland, in dem es heißt, man könne sich nicht von Kinderaugen erpressen lassen. Die nächste Folie seiner Präsentation ist das Bild eines kleinen Mädchens, das er auf einer seiner zahlreichen Reisen zur medizinischen Unterstützung geflüchteter Menschen fotografierte. Mit fragenden Augen blickt sie in die Kamera, hilflos, schutzsuchend. »Diese Kinderaugen stellen keine Forderungen«, so sieht es der Sozialarbeiter: »Sie machen uns unserer Verantwortung bewusst.« Durch populistische Meinungsmache gerate schnell in Vergessenheit, was »die Flüchtlinge« in Wahrheit sind: Menschen in Not, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben ihre Heimat verlassen. Dies lernte er auf seinen Reisen in Krisengebiete wie Syrien oder Afghanistan, aber auch in Aufnahmeländern wie Griechenland oder der Türkei.

Ein Zuhörer konfrontiert den Redner mit der Aussage des Grünen-Politikers Boris Palmer, man könne nicht allen helfen. Natürlich könne man das nicht, bekräftigt Trabert. »Unsere Kapazitäten sind jedoch noch lange nicht am Ende«, so sieht es der Experte. Dennoch müsse man einen Weg finden, um längerfristige Hilfe leisten zu können. Zum Beispiel durch Vereine wie »Uhuru«, die obdachlosen Kindern Zukunftsperspektiven bieten und ihnen einen Zugang zu Bildung ermöglichen. (alj)

 

Findet das  Gomaringer Engagement gut:  Gerhard Trabert.  FOTO: JAENSCH
Findet das Gomaringer Engagement gut: Gerhard Trabert. FOTO: JAENSCH
Findet das Gomaringer Engagement gut: Gerhard Trabert. FOTO: JAENSCH