Logo
Aktuell Versorgung

Notfallpraxis Münsingen: Bürgermeister und Landrat kämpfen gegen drohende Schließung

Die Kassenärztliche Vereinigung will mehrere Notfallpraxen im Südwesten schließen - auch die in Münsingen. Die Kritik daran reißt nicht ab. Nun machen die betroffenen Kommunen mobil - Bürgermeister gehen den Sozialminister scharf an. Reutlingens Landrat Ulrich Fiedler macht einen Lösungsvorschlag.

Wenn der Hausarzt zu hat, gehen Patienten bisher in die Notfallpraxis in der Albklinik. Nun plant die Kassenärztliche Vereinigung offenbar die Schließung des Standorts. Foto: Joachim Lenk
Wenn der Hausarzt zu hat, gehen Patienten bisher in die Notfallpraxis in der Albklinik. Nun plant die Kassenärztliche Vereinigung offenbar die Schließung des Standorts.
Foto: Joachim Lenk

STUTTGART/MÜNSINGEN. Die Kritik an der geplanten Schließung weiterer Notfallpraxen in Baden-Württemberg reißt nicht ab. In einem Brief fordern nun 18 Bürgermeister, darunter auch Münsingens Bürgermeister Mike Münzing Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) auf, zu handeln. Zahlreiche Landräte, darunter Reutlingens Ulrich Fiedler, schlossen sich an.

»Wir erwarten, dass Sie sich jetzt rasch der Sache annehmen und nicht länger untätig zusehen, wie die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) den funktionierenden ärztlichen Bereitschaftsdienst in unseren Städten und Gemeinden an die Wand fährt«, heißt es einem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die von der KVBW zugrunde gelegten Kriterien für die Schließungen seien »nicht nachvollziehbar und gesamtpolitisch alarmierend«.

Luchas Ministerium müsse »rasch und ernsthaft« prüfen, ob die KVBW noch ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag erfülle. »Anderenfalls entsteht doch der Eindruck, dass die KVBW machen kann, was sie will, und auch das Land Baden-Württemberg kein oder nur wenig Interesse an der Situation der Notfallversorgung in Baden-Württemberg zeigt«, schreiben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Anlass der Kritik sind Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung, die Zahl der Notfallpraxen im Südwesten weiter zu verringern. Nach dpa-Informationen geht es um 17 weitere Standorte. Weil zudem auch die Stadt Tettnang (Bodenseekreis) fürchtet, dass die dortige Notfallpraxis geschlossen werden könnte, haben den Brief 18 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unterzeichnet. Acht Praxen hatte die KVBW bereits im Laufe des Jahres dauerhaft geschlossen.

»Versorgung muss auch für Menschen ohne Auto funktionieren«

Wie die dpa erfuhr, soll künftig unter anderem die Regelung gelten, dass mindestens 95 Prozent der Menschen im Südwesten innerhalb von 30 Fahrminuten eine Notfallpraxis erreichen können. Alle anderen sollen maximal 45 Minuten fahren müssen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kritisieren diese Regelung scharf. Man wisse, dass die KVBW dieses Kriterium nur nachweisen könne, wenn der Weg mit dem Auto und ohne Verkehrsbeeinträchtigungen zurückgelegt werde. »Dies ist eine massive Benachteiligung der älteren und wenig begüterten Bevölkerungsteile, die kein Auto (mehr) haben«, heißt es in dem Schreiben an Lucha. Die Fahrzeit müsse auch für den ÖPNV gelten. »Denn wir sind uns doch sicher einig, dass Notfallversorgung nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Menschen ohne KfZ funktionieren muss.«

Neues Konzept soll in Münsingen erprobt werden

Auch die Kreischefs bezweifeln, dass die KVBW ihrem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag heute und in Zukunft noch gerecht wird. »Auswirkungen auf die Krankenhäuser und den Rettungsdienst werden nicht in Überlegungen einbezogen und dortige Auswirkungen der Entscheidungen der KVBW in Abrede gestellt«, heißt es in einem Schreiben, das auch Reutlingens Landrat Ulrich Fiedler unterschrieben hat.

Er macht einen Lösungsvorschlag: »Im Landkreis Reutlingen wollen wir den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Zukunft erproben. Gemeinsam mit den Kreiskliniken haben wir der KVBW ein zukunftsfähiges Konzept vorgestellt, mit dem die ambulante Notfallversorgung auch im ländlichen Raum sichergestellt und gesteuert werden kann - ohne lange Fahrtzeiten. Unsere Lösung wollen wir bereits im nächsten Jahr am Standort in Münsingen erproben. Nach dem erfolgreichen Pilotbetrieb bei uns im Landkreis könnte das «Münsinger-Konzept» potenziell auf das gesamte Land ausgerollt werden. Dazu stehen wir bereits in engem Austausch mit KVBW und Sozialministerium.«

Eine Sprecherin des Sozialministeriums hatte erst kürzlich betont, man habe lediglich eng begrenzte Prüfmöglichkeiten. »Es gibt keine näheren gesetzlichen Vorgaben, wie der Bereitschaftsdienst zu organisieren ist. Im Gegensatz zum Rettungsdienst gibt es beispielsweise keine konkreten Hilfsfristen und bislang auch keine Vorgaben zur Erreichbarkeit der Bereitschaftspraxen.« (dpa/pm)