TÜBINGEN. Das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac hat bei der Entwicklung seines Corona-Impfstoffs einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten CVnCoV fällt einer Zwischenanalyse zufolge deutlich geringer aus als bei anderen bereits zugelassenen Corona-Impfstoffen.
Wie das Unternehmen am Mittwochabend in einer Pflichtbörsenmitteilung bekanntgab, zeigt der Impfstoff eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung »jeglichen Schweregrades«. Damit habe er die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erfüllt.
Für die anderen in der EU verwendeten Impfstoffe sieht der Wert weitaus besser aus. Beim Präparat von Biontech/Pfizer zum Beispiel zeigten Daten aus Israel, dass Menschen mit vollem Impfschutz verglichen mit Ungeimpften eine um mehr als 90 Prozent verringerte Wahrscheinlichkeit für symptomatische Verläufe, also eine Covid-19-Erkrankung, haben.
Experte: Vakzin konnte nicht hoch genug dosiert werden
Die niedrige Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs von Curevac ergibt sich laut dem Virenexperten Peter Kremsner daraus, dass das Vakzin nicht hoch genug dosiert werden konnte. Das wiederum habe daran gelegen, dass die einzelnen Bestandteile nicht chemisch modifiziert worden seien, sagte der Leiter der Impfstoff-Studie des Tübinger Biotech-Unternehmens dem SWR am Donnerstag. Eigentlich sei dies immer als Vorteil gepriesen worden, wahrscheinlich sei das jetzt der Hauptnachteil: »Das heißt, wir konnten nicht hoch genug dosieren wie das die anderen gemacht haben.« Die anderen Impfstoffhersteller hätten 30 und 100 Mikrogramm verabreicht. »Mit der Curevac-Impfung konnten wir nur 12 Mikrogramm geben. Dann wurde es zu unverträglich, wenn man weiter höher dosiert hat.«
Der Curevac-Impfstoffkandidat ist schon seit Dezember in der finalen und zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Während mehrere Konkurrenten ihre Vakzine auf den Markt gebracht haben, sammelt Curevac nach wie vor Daten. Wann und ob mit der nun bekanntgegebenen Wirksamkeit eine Zulassung des Impfstoffs möglich sein wird, ist unklar.
Wenig Hoffnung auf bessere Wirksamkeit bei Curevac
Die geringe Effizienz könnte jedoch unmittelbare Folgen für die Zulassung haben. Ein Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 47 Prozent sei in der EU nicht zulassungsfähig, sagte der Sprecher. Das Mindestmaß seien 50 Prozent.
Nach der Zwischenauswertung könne die Effizienz eines Impfstoffes bis zur finalen Zulassung noch um wenige Prozent steigen, sagte ein Sprecher des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa). "Eine enorme Zunahme ist aber nicht zu erwarten."
Keine Auswirkung auf deutsche Impfkampagne
Die Bundesregierung hatte den Curevac-Impfstoff ursprünglich in der Impfkampagne eingeplant, auf der jüngst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste der Lieferplanungen war das Präparat aber nicht aufgeführt. Ein Sprecher des Ministeriums teilte am Donnerstag mit, die Curevac-Mitteilung habe keine Auswirkung auf das Tempo der deutschen Impfkampagne. Zuletzt hatte die Plattform »Business Insider« berichtet, in internen Lieferprognosen der Bundesregierung habe es noch Ende Mai geheißen, dass von Curevac bis Jahresende eine zweistellige Millionenmenge an Impfstoffdosen erwartet werde.
Der Börsenwert von Curevac hat sich am Donnerstag mehr als halbiert. Vorbörslich brachen die Titel beim Broker Lang & Schwarz um 56 Prozent ein auf 34,75 Euro. Zuletzt hatte die Firma ihre Aktionäre angesichts der massiven Zeitverzögerung immer wieder vertröstet. Bis Anfang Juni hatte es geheißen, das Unternehmen erwarte - abhängig von den klinischen Studiendaten - die Zulassung seines Impfstoffs in der EU zumindest noch bis Ende Juni. Doch kurz darauf wurde bekannt, dass sich das Verfahren weiter verzögern werde. Im Frühjahr 2020 war ein Chefentwickler für den Corona-Impfstoff für längere Zeit ausgefallen.
Bund hält an Curevac-Beteiligung fest
Der Bund hält auch nach dem Rückschlag der Tübinger Biopharmafirma Curevac bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs an seiner Beteiligung an dem Unternehmen fest. »Mit der Beteiligung an Curevac verfolgte und verfolgt die Bundesregierung gesundheits- und industriepolitische Ziele«, erklärte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag.
Es gehe nicht nur darum, mehr Impfstoffproduktion in Deutschland und Europa anzusiedeln, sondern auch um Forschungsaktivitäten. Für die mRNA-Technologie, die auch bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna zum Einsatz kommt, gebe es vielfältige Anwendungsbereiche, etwa in der Krebsbekämpfung, betonte eine Sprecherin.
Der Bund war im vergangenen Jahr über die Aufbaubank KfW mit 300 Millionen Euro bei Curevac eingestiegen. Dabei habe die Bundesregierung allerdings keinen Einfluss auf das operative Geschäft, erklärte die Sprecherin.
Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas teilte mit, man habe auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft. Man wolle die laufende Studie aber dennoch bis zur finalen Analyse fortsetzen. »Die endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern.« Curevac arbeitet bereits in Zusammenarbeit mit dem britischen Pharmaunternehmen Glaxosmithkline an einer zweiten Generation seines Impfstoffs. Diese soll besser vor Virusvarianten schützen und ab dem dritten Quartal 2021 in ersten klinischen Studien getestet werden.
Impfstoffallianz CEPI enttäuscht über Curevac-Ergebnisse
Die internationale Impfstoffallianz CEPI ist indess enttäuscht über die vorläufigen Ergebnisse von Curevac. »Das zeigt, was für eine Herausforderung die Entwicklung eines Impfstoffs sein kann«, teilte CEPI am Donnerstag in Genf mit. CEPI steht für »Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung«. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen Weltgesundheitsorganisation (WHO), Regierungen, Stiftungen und Forschungseinrichtungen.
Die Allianz betont, dass die Corona-Pandemie längst noch nicht vorbei ist. Es sei wichtig, die Forschung weiter zu fördern, um dem Virus und möglichen Varianten immer einen Schritt voraus zu sein. »CEPI wird weiter ein breites Portfolio von Covid-19-Impfstoffen fördern, um dieses Ziel zu erreichen.«
Curevac ist einer von ursprünglich zwölf Impfstoffkandidaten, die CEPI im Programm hat. Zwei davon wurden inzwischen eingestellt, eines von der Universität Queensland und eines von Merck. Zusätzlich fördert CEPI noch einen Wirkstoffverstärker, ein Adkuvans. Das vereinbarte CEPI-Budget zur Forschung und Entwicklung von Curevac betrug 15,3 Millionen Dollar. Zur Vereinbarung gehörte, dass Curevac dem solidarischen Impfprogramm Covax einen Teil seiner Produktion verkauft und nicht nur bilaterale Verträge schließt. Covax soll vor allem die faire Verteilung der Corona-Impfstoffe in aller Welt gewährleisten. Verglichen mit Curevac haben andere Kandidaten deutlich mehr Geld von CEPI erhalten: Mit Astrazeneca wurden 383 Millionen Dollar (rund 320 Mio. Euro) vereinbart, mit Clover Biopharmaceuticals 327,8 Millionen Dollar und mit Novavax 388 Millionen Dollar. (dpa)